Ein Bild aus farbigem Licht
Eine Einführung in das Prinzip der optischen Mischung Grundkurs Farbe/ Malerei 12. Jahrgangsstufe von Jutta Görlich |
Der Lehrplan: |
Der Lehrplan sieht für den Grundkurs Malerei innerhalb der Kunstgeschichte einen Überblick über die wesentlichen Strömungen und Entwicklungen der Bildenden Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart vor. Anhand von ausgewählten Einzelwerken sollen den Kollegiaten und Kollegiatinnen Ansätze zur Werkinterpretation hinsichtlich Maltechnik, Darstellungsweisen, Gattungen, Motivik und Farbe und sowie zur Erschließung des historischen und geistigen Umfeldes vermittelt werden. |
Der Unterrichtsgegenstand: |
Von
besonderem Inzteresse für die Maler um 1880 waren die neuen wissenschaftlichen
Farbenlehren des Chemikers Chevreul und des Physikers Ogden Rood. Der Amerikaner
Nicholas
Odgen Rood hatte Physik studiert und während eines Aufenthalts
in Deutschland auch mit dem Malen begonnen. Er war also an den Farben sowohl
aus technisch–wissenschaftlicher als auch aus künstlerischer Sicht
interessiert. Beide Aspekte finden sich auch in seinen Versuchen wieder,
den Farben eine systematische Ordnung zu geben. In seinem Buch „Modern
Chromatics“ ( New York 1879, französisch 1881) unterscheidet
er ganz eindeutig zwischen der Mischung farbigen Lichts und der Pigmentmischung
und legt dar, dass die Lichtmischung sozusagen additiv ihre Leuchtkraft
verstärke, die pigmentäre Mischung dagegen zum Matten und Dunklen
führen würde.
Lichtfarben stellen nämlich im Gegensatz zu Körperfarben selbst das Licht dar. Man geht von Teilchen aus, die als Teil der Lichtquelle, selbst Licht abstrahlen. Als Grund- oder Primärfarben des Lichtes gelten Orangerot, Grün und Violett. Die Lichtmischung heißt deswegen additive Mischung, weil Licht + Licht mehr Licht ergibt. |
Rood wies auf die Möglichkeit für den Maler hin, durch ein Nebeneinander „einer großen Zahl kleiner Punkte von zwei Farben“ diese nicht abzuschwächen, sondern aus einer angemessenen Entfernung gesehen „Bündel farbigen Lichts“ zu mischen. Dies veranlasste Maler wie Seurat und Signac zu einer zerlegenden Malerei, den Pointillismus oder Divisionismus. Würde der Maler sie dagegen bereits auf der Palette mischen, so verlören die Farben bei dieser pigmentären Mischung ihre Leuchtkraft, die sie als farbiges Licht in der Realität haben. Feneon ist der Meinung, durch diese kleinfleckige Malerei verbänden sich die Farben ohne Verschmutzungen und stellten im Zusammenspiel ihrer gegensätzlichen Energien und Abstufungen eine Einheit im Bild her. „Kaum war eine Kunsttheorie erfolgreicher als diese.“ |
Doch bereits 1968 hatte Robert L. Herbert - gestützt auf Wahrnehmungsexperimente - die Erklärung der Punktstruktur als Voraussetzung für eine optische Mischung der Farbe, die sich im Auge vollzöge, als 'Legende entlarvt' : Seiner Meinung nach bestimmt das vibrierende Farbgewebe nebeneinanderliegender Punkte auch aus größerem Anstand den Eindruck des Bildes. Doch kann nicht genau dieses Vibrieren der Farben als die positive gestalterische Qualität verstanden werden? Beschreibt nicht die Sichtbarkeit der fleckigen Farbsetzungen die tragende Rolle der Farbe im Bild? Stellt nicht die Farbfleckenstruktur malerisch eine Struktur her, die die Grenzen der Gegenstände überwindet. Befreit sich hier nicht die Farbe von ihrer Abbildfunktion zugunsten ihrer Autonomie? |
Audiovisuelle
Medien bestimmen unseren Alltag, daher erscheint es mir für einen
Grundkurs Farbe/Malerei sinnvoll, nicht nur die psychophysischen Wirkungen
und die symbolische Bedeutung der Farbe, ihre Funktion in der Malerei,
ihre Gesetzmäßigkeiten und ihre Techniken der Gestaltung zu
bearbeiten, sondern den reinen Kunst-Kontext zu verlassen und diesen um
einen Einblick in den Umgang mit der Farbe in den modernen Bildmedien zu
erweitern.
Hier werden die vorher erarbeiteten Prinzipien der additiven Mischung und der optischen Mischung zur direkten Anwendung gebracht; was im Neoimpressionismus erstrebt wurde, nämlich die Malerei mit Farblicht, wird hier tatsächlich Wirklichkeit: Farbpunkte in Rot, Grün und Blau leuchten auf, verändern ihre Leuchtkraft und ihre Sättigung, bei Rot leuchten nur die roten Punkte, bei Grün nur die grünen Punkte und bei Blau nur die blauen Punkte. Doch welche Farbpunkte leuchten auf, wenn man auf dem TV-Monitor Gelb, Magenta, Zyan, Schwarz und Weiß sieht? Betrachtet man die Bildschirmoberfläche mit einer Lupe genau, so werden hier die Prinzipien der additiven Lichtmischung genau zur Anwendung gebracht: Für Gelb leuchtet Rot und Grün, für Magenta leuchtet Blau und Rot, für Zyan Grün und Blau. Sehen wir die Farbe schwarz, so leuchtet keine der Primärfarben des TVs, sehen wir Weiß, so strahlen rote, grüne und blaue Lichtpunkte. Doch nicht nur das Prinzip der additiven-, sonder auch das der optischen Mischung findet hier seine Anwendung, blickt man aus optimaler Distanz auf den TV-Monitor, so mischen sich die Farben auf der Retina zu Bündeln von Licht. |
Der Verlauf der Stunde |
Den Impressionisten war die Erkenntnis, dass die additive Lichtmischung leuchtender und heller ist als die pigmentäre, die zum Matten führt, schon um 1880 bekannt. |
Doch
welche Möglichkeiten hatten die Maler, die das Licht darstellen wollten?
Da schlug die Erkenntnis des amerikanischen Physikers und Malers Nicolas Odgen Rood ein wie eine Bombe. Ein Zitat aus seinen „Chromatic Studies“ von 1879 wird jetzt per Beamer und Laptop an die Wand projiziiert :
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Erreichen wir durch das Nebeneinander
von Punkten eine additive Mischung, wie Odgen Rood behauptet?
Anhand einer vergrößerten Umrisszeichnung einer Zitrone und einer Umrisszeichnung einer Weintraube, die an die Tafel geklebt sind, wird die Untersuchung durchgeführt: Zwei Schüler punkten mit einem roten und einem grünen Edding, an der Tafel und testen die Punktgrößen aus, variieren aber auch den Abstand der Punkte zueinander und untersuchen, ob mit den Farben Rot und Grün, die punktförmig nebeneinandergesetzt sind, sich im Sinne der additiven Mischung die Farbe Gelb mischen lässt. Parallel dazu starten zwei Schüler mit einem roten und einem blauen Edding die Untersuchung anhand einer Weintraube. |
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Während der großen Punktelei
an der Tafel sitzt der Rest des Kurses aber nicht untätig herum, sondern
untersucht im Kleinen dasselbe. Ein Teil der Klasse erhält einen roten
und grünen Stabilo und die kleine Version der Zitrone,
der andere Teil des Kurses erhält einen blauen und einen roten Stabilo
und eine kleine Abbildung der an der Tafel hängenden Weintraube.
Nach ca. fünf Minuten werden die Ergebnisse besprochen. Die Schüler werden zu den erreichten Bildwirkungen befragt. |
Eine Mischung von Rot und Grün zum
Gelb, im Sinne einer reinen additiven Mischung wird wohl nicht erreicht
werden, stattdessen aber ein Flimmern und Flirren der Farben. Aber anhand
der Weintraube wird man deutlich eine Mischung zum Violett feststellen,
das aber nicht wie auf der Palette gemischte Farben zum Dunklen tendiert,
sondern die Helligkeit der Ausgangswerte beibehält.
Und obwohl das Zitat von Odgen Rood eine Mischung von „Strahlen farbigen Lichtes“ erwarten lässt und man nun die Mischfarben der additiven Mischung erwartet, wird man ein kleines bisschen enttäuscht sein, da die erreichte Farbe dunkler, d.h. lichtschwächer als bei der Mischung von Licht ist. Der Grund für das lichtschwächere Resultat ist, dass die Mischfarbe sich auf derselben Fläche ausbreitet wie die Summe der Ausgangsfarben, die Leuchtdichte insgesamt also gleich bleibt, während bei der Überlagerung von Scheinwerferlicht die Lichtstrahlen pro Flächeneinheit tatsächlich addiert werden. Man wird aber im Hinblick auf die subtraktive Mischung nicht enttäuscht sein, da bei der optischen Mischung kein zusätzliches Licht absorbiert wird. Anhand beider Bilder werden jedoch die Vorteile offenbar: Die Farben leuchten, flirren, tendieren zum Hellen und Leuchtenden. |
Ein Sprung zurück zur Zeit des
Impressionismus:
Als die Theorie Odgen Rood bekannt wurde, war der Teufel los: Die Maler
unternahmen zahllose Versuche, wie sie die Wirkung der Lichtmischung erreichen
konnten, also die Farben mit ihren Pigmentfarben zum Leuchten bringen konnten.
Einer dieser Maler war Seurat , er gilt als Begründer dieser
Malweise. Er hat mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen herumexperimentiert,
hat aber noch andere Regeln zusätzlich verwendet.
Anhand von Jan Vijlbriefs Bild „Waldlichtung“
von 1895, das per Beamer und Laptop präsentiert wird, lassen
sich sehr gut Grenzen, wie auch Vorteile und Eigenarten der pointillistischen
Malweise aufzeigen.
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Hinsichtlich der farbigen Gestaltung des
Bildes lässt sich sowohl die impressionistische Farbtheorie ablesen,
wie auch deren Erweiterung durch den Neoimpressionismus, mit seinen Versuchen
der optischen Mischung. An dieser Stelle wird zum einen untersucht, was
an diesem Bild impressionistisch ist, aber auch was das Neue an diesem
Bild ist.
Daher werden hier zum einen die verwendeten Farben, wie auch deren unterschiedliche Kontrastwirkungen besprochen. Doch welche Wirkungen hat die optische Mischung noch? Visualisiert wird diese Frage durch Ausschnitte aus Vijlbriefs Bild: Mischt sich das Nebeneinander roter und grüner Punkte auf der Retina zu Gelb? Mischt sich Blau und Rot zu Magenta Blau und Grün zu Zyan, behalten die optisch gemischten Farben ihre Helligkeitswerte bei? Werden die gemischten Farben heller? Was passiert bei einer größeren Distanz zum Bild? Zusammenfassend wird nach der Analyse der einzelnen Bildausschnitte festgestellt werden, dass das Prinzip der optischen Mischung mit der Intention der Lichtmalerei nicht optimal funktioniert, aber der Pointillismus als Gestaltungsmittel eigene Qualitäten bietet, nämlich das Flimmern und Lebendigsein der Bilder, da der optische Eindruck durch die ständige Arbeit der Wiederzusammensetzung der Bildpunkte im Auge stets aktualisiert wird. Im Sinne der Physik, im Sinne der Behauptung von Odgen Rood, hat der Pointilismus als Versuch einer additiven Mischung mit Pigmenten fehlgeschlagen, erzielt aber andere bedeutsame Wirkungen. Die Hypothese der Wissenschaft wurde also durch die Malerei empirisch entkräftet, brachte der Malerei aber einen Zugewinn an Gestaltungsmitteln. Im Sinne der Kunst brachte er eine Erweiterung und Erneuerung der Bildwirkung, ein Flirren, Bewegung und eine neue Dynamik in der Malerei. Die Gestaltungsmittel des Pointillismus, v.a. der divisionistische Farbauftrag sind wichtig auf dem Weg der Malerei zur autonomisierung der Farbe, die von ihrer Abbildfunktion erlöst und um ihrer selbst willen gesetzt wird. Ist an dieser Stelle schon das Ende der Stunde erreicht, so wird die Wegbereiterfunktion des Pointillismus kurz angesprochen und auf eine Weiterführung des Erarbeiteten in der nächsten Stunde verwiesen. |
Angaben zu Literatur und verwendeten Materialien: |
Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst. Lehrplan für
das Bayerische Gymnasium – Fachlehrplan Kunsterziehung. 09.10.1992.
Budde, Rainer (Hrsg.): Pointillismus: Auf den Spuren von Georges Seurat. München 1997. Eucker, Johannes; Walch, Josef (Hg.): Farbe – Wahrnehmung, Geschichte und Anwendung in Kunst und Umwelt . Hannover 1988. Franz, Erich (Hrsg.): Farben des Lichts. Paul Signac und der Beginn der Moderne von Matisse bis Mondrian . Münster 1996. Hess, Walter: Dokumente zum Verständnis der modernen Malerei. Reinbek bei Hamburg 1988. Itten, Johannes: Kunst der Farbe . Ravensburg 1961. Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Elemente künstlerischer Gestaltung. Eine Kunstgeschichte in Einzelinterpretationen. München1986. Silvestrini, N./ Fischer E. P.: Farbsysteme
in Kunst und Wissenschaft. Köln 1998.
Internet: http://www.-is.informatik.uni-oldenburg.de
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