Denkmäler
Christian Wagner StRef 

Lehrplan 11. Jahrgangsstufe 
2 Bildende Kunst Kunstgeschichtliche Längsschnitte: Kontinuität und Wandel

Zur Begriffsbestimmung
Bevor auf die Geschichte des Denkmals näher eingegangen werden kann, bedarf es einer genauen Klärung des Wortes »Denkmal«, da es sich hierbei um einen sehr heterogenen Begriff handelt. In den verschiedenen Zeitepochen hat der Denkmalbegriff unterschiedliche Bedeutungen erfahren.

„Wo der Ursprung des Denkmalbewußtseins anzusetzen ist, läßt sich zeitlich wohl kaum noch exakt bestimmen. Mit Sicherheit aber läßt sich sagen, daß gesellschaftliche und politische Faktoren für sein Entstehen ausschlaggebend waren (...). Die Voraussetzungen zu einem Denkmalbewußtsein bestanden in unserem Kulturkreis spätestens in den Sklavenhaltergesellschaften des antiken Griechenland und des imperialen Rom (1)." Das Denkmal wurde zur Erinnerung an eine Persönlichkeit oder an ein historisches Ereignis errichtet. Die frühesten, einer Person gewidmeten Denkmäler hingen mit dem Grabkult zusammen. Neben diesen Frühformen (z.B. Pyramiden) entwickelte die griechische und römische Antike die ersten profanen Denkmäler. Diese Kulturen waren es auch, welche die uns bis heute erhaltenen Denkmalformen ausbildeten (Triumphbogen, Mausoleum, Triumphsäule, Reiterdenkmal, Obelisk, Pyramide und Standbild). Das Mittelalter kannte außerhalb des kirchlichen Bereichs keine Denkmäler für einzelne Personen. Der bronzene Löwe, den Heinrich der Löwe in Braunschweig aufstellen ließ, und das Reiterdenkmal auf dem Marktplatz zu Magdeburg waren ebenso wie die überlebensgroßen Rolandstatuen norddeutscher Städte keine Denkmäler, sonder Hoheits- und Rechtszeichen. Auch die berühmten Stifterfiguren im Naumburger Dom können wegen ihrer architektonischen und geistigen Bindung an den übergeordneten Zusammenhang der Kirche nicht als Denkmäler gelten. Erst die italienische Renaissance mit ihrer neuen Wertschätzung der Einzelpersönlichkeiten nahm die antike Überlieferung des freien für sich selbst sehenden Denkmals wieder auf.
Im deutschen Sprachgebrauch ist das Wort »Denkmal« erstmals zu Beginn des 16. Jahrhunderts aufgetaucht, als der Mensch sich auf Grund der Errungenschaften der Aufklärung mit dem Aufkommen des Geniekults aus der alles umfassenden Umklammerung der Kirche lösen konnte. „Unter »Denkmal« wurde (...) ein in der Öffentlichkeit errichtetes und für die Dauer bestimmtes Werk verstanden, das an Personen oder Ereignisse erinnert und aus dieser Erinnerung einen Anspruch seiner Urheber, eine Lehre oder einen Appell an die Gesellschaft ableiten und historisch begründen soll (2)." „Denkmäler sind weltliche Kunstwerke, auf diesseitige Ziele gerichtet. Die »Unsterblichkeit« von Denkmalhelden ist auf Ruhm gegründet, nicht auf Erlösung im christlichen Sinne. Das zeigen Inschriften und Motive des neuzeitlichen Denkmals, das sich im 15. Jahrhundert aus dem Grabmal entwickelte und sich von ihm löste (3)."

Einen Versuch, den Denkmalbegriff weiter zu fassen, lieferte Albert Hofmann 1906: „Das Denkmal (Monumentum = Erinnerungszeichen, Denkmal, Andenken ; von moneo, monui, monitum, monere = an etwas denken machen, erinnern, mahnen) ist ein Mal, ein Zeichen des Gedenkens, einer Begebenheit, eines Ereignisses, ein Erinnerungsmal. In seiner einfachsten Form und in seiner schlichtesten Bedeutung ist es im Walde ein geknickter Zweig, den Weg zu bezeichnen, ein in den Stamm geritztes Zeichen; ein Erdhaufen, ein einzelner auffallender Stein oder zu Haufen geschichtete Steine (4)." Dabei geht es Hofmann um das bewußte Setzen von Zeichen.
Dazu der Informationstheoretiker Max Bense: „Zeichen ist alles, was zum Zeichen erklärt wird. Jedes beliebige Etwas kann (im Prinzip) zum Zeichen erklärt werden (5)." In diesem Sinne läßt sich der Begriff „Denkmal„ elementar zurückführen auf das Setzen von Zeichen, auf längere Frist, als Informationsquelle (Kommunikationsmittel) für die Nachwelt. „Wobei das »Setzen« (verstanden als Versuch zur materiellen Dauerhaftigkeit) ebenso wichtig oder wichtiger ist als die Qualität des Zeichens. Kurz: Was der Kunst die Bedeutung, Qualität, Verbindlichkeit des Zeichens, das ist dem Denkmal die Dauerkraft, Behauptungsfähigkeit, Konservierungszuverlässigkeit der Setzung oder Speicherung (6)." Daß für den Denkmalcharakter Kriterien der Qualität, auch der künstlerischen Qualität, nur von sekundärer Bedeutung sind, unterstreicht auch Berthold Hinz: „Als hinreichende Vorbedingung eines Denkmals reicht noch nicht einmal, ein Artefakt (durch menschliches Können geschaffenes Kunsterzeugnis) zu sein.; Lenin brauchte nicht aus Stein und Bronze zu bestehen, sein konservierter Körper erbringt alle wichtigen Denkmal-Bestimmungen (7)." Für ihn ist der Denkmalcharakter nicht einmal auf die Welt des Physischen begrenzt, wie dies z. B. bei Benennungen oder Umbenennungen von Städten, Straßen, Plätzen, Gebäuden, Ämtern und Personen der Fall ist. Eine sinnvolle Definierung kann also nicht in der Suche nach materiellen Kriterien liegen, sondern in der Suche nach ihrem Wesenscharakter. Das Statuieren eines Denkmals kann als das Durchsetzen einer Intention, die nicht auf alltägliche Verrichtung abzielt, angesehen werden. Diese Zielumsetzung als symbolische Handlung tritt somit nur exemplarisch auf. „Die Vielfalt, ja Disparität der (subjektiven) Werte, die so vor die Öffentlichkeit treten können, verunmöglichen ihre ungeteilte und gleichzeitige Anerkennung; (...) ohne den gesellschaftlichen Dissens über Werte und Ziele, wären Denkmäler, führt man den Gedanken zu Ende, wohl entbehrlich: es fehlten ihnen doch die Adressaten. Allgemeiner Konsens über Werte und Ziele, gäbe es ihn denn, wäre kein denkmalproduktiver Zustand (...) Daraus folgt, daß Denkmalaktivitäten und Provokationsabsichten nicht voneinander zu trennen sind. (8)."

Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 setzte neue Richtlinien, nach denen der Denkmalbegriff außerordentlich erweitert wurde. Er befaßte sich seither mit allen formalen historischen Traditionen vom Tagelöhnerhaus bis zur fürstlichen Residenz, vom einzelnen Bodendenkmal der Vor- und Frühgeschichte bis zum modernen Städtebauensemble. „(...) man differenziert zwischen Monumenten, die von Vornherein und bewußt als Denkmäler geschaffen worden sind und solchen, die auf Grund ihrer inhaltlichen oder formalen Bedeutung für den historischen reflektierenden Menschen im Nachhinein bewußt geworden sind und Denkmalcharakter erhalten haben können (9)." Neben dem historisch »gewollten Denkmal« werden im »modernen Denkmalbegriff« alle Zeugnisse früherer Kulturen, Zeiten oder Ereignisse miteinbezogen. Überliefertes wird nach seiner geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlich-technischen und volkskundlichen Bedeutung hin untersucht.

Zwar wurden erst 1975 kulturell wertvolle Güter generell als Denkmäler bezeichnet, ohne, daß ihrer Entstehung eine bewußte Absicht als Denkmal zugrunde lag, aber ihrem Wirken nach wurden sie seit jeher als Bestandteil einer Kulturepoche und damit als Ausdrucksträger dieser angesehen. Dies wird auch ersichtlich aus der Zerstörungswut, die den Statuen nach Herrscherwechseln entgegen schlug, da sie ebenso als Provokation angesehen wurden, wie bewußt gesetzte Denkmäler.

Der Umgang mit Kunstdenkmälern im Wandel der Geschichte
Bei jedem Machtwechsel spielte der Umgang mit den überkommenen Kulturgütern eine wesentliche Rolle. So war die Bilderfeindlichkeit und Bilderzerstörung von Völkern und Religionsgemeinschaften wie die der Juden und des Islams eine Überlebens- und Vormachtstrategie. Andererseits war die Zerstörungswut aber auch, wie etwa während des deutschen Bauernkrieges 1525, ein pures Ohnmachtszeugnis hoffnungsloser Aufstandsbewegungen. Das Phänomen, daß der neue Herrscher die Geschichte des Besiegten tilgt, um nur die eigene Geschichte zu dokumentieren, ist eine Maßnahme, die von den Ägyptern bis in unsere Gegenwart reicht (vgl. 10). So haben z. B. die sowjetische Besatzungsmacht bzw. die DDR, auf ihrem Gebiet sämtliche Denkmäler gegen neue Ideale ausgetauscht. Dieser Austausch von »bonum und malum« setzt jetzt wiederum in umgekehrter Weise ein. Die planmäßige Korrektur der jeweiligen Vorgeschichte nimmt seinen Lauf. „Die Römer hatten dazu ein Prozeßrecht gegen Verstorbene erfunden, das bei deren Verurteilung, etwa im Falle von Nero (im Jahre 68), Julian (193) und Maximin (238), die Beseitigung der Statuen und die Entfernung der Namen aus Inschriften und Münzen verfügte (...). Je »verschrifteter« eine Gesellschaft, desto aussichtsloser wird indessen solch ein Unterfangen, das seine Logik ursprünglich wohl aus einer vorherrschend »monumentalen« Kultur bezieht. Die Ägypter waren vorangegangen bei der retrospektiven Tilgung, welcher - weitaus eleganter - meist nur Nomina, Inschriften und Kartuschen der zu Stürzenden zum Opfer fielen, während das Denkmal in der neuen Person, das heißt mit neuer Identität, weiter existierte (11)." Im Gegensatz zur Demontage und damit zur Zerstörung, ging durch diese Form der Umfunktionierung und der Umwidmung zwar das alte Denkmal nicht gänzlich verloren, aber von Toleranz war man weit entfernt. Die Zerstörung des Denkmals fand nicht statt, wenn sich der Ruhm, der von ihm ausging, auf den Sieger übertragen ließ. Diese Funktionsänderung mußte für alle sichtbar gemacht werden. Die geläufigste Form war die Trophäen-Praxis. Das eroberte Kulturgut wird als Siegesbeute öffentlich zur Schau gestellt. Um den Besitzerwechsel zu unterstreichen, wurden viele Denkmäler zur Vorführung als Trophäe in das eigene Land überführt. Mit einem solchenen Transport und der anschließenden Aufstellung konnte zusätzlich die technische und organisatorische Überlegenheit, wie dies mit der Präsentation alttägyptischer Obelisken in Rom durch Kaiser Augustus der Fall war, demonstriert werden. So erlangten sie eine neue bedeutende Funktion. Andere Zurschaustellungen waren nicht auf langfristige Präsentationen ausgerichtet, da ihr Ziel nur ein Preisgeben ihrer alten Bedeutung war und eine Neubenutzung nicht erstrebt wurde. Dabei handelte es sich um Aufstellungen, denen die Vernichtung folgte oder deren Resultat die Vernichtung war. „Derart inkriminierten Denkmälern, insbesondere figuralen, konnte alles das zugefügt werden, was die betreffende Gesellschaft an rechtlichen Bestrafungsformen und Schädigungsritualen gegenüber ihren Mitgliedern bereit hielt. Sie konnten geköpft, in vielfältiger Weise verstümmelt, geschoren, geblendet, kastriert, gebrandmarkt oder degradiert werden (...). Fehlte der ephemeren Aktion die nötige Nachhaltigkeit bei der Mobilisierung ihrer Adressaten, hat man manchmal nach Wegen der Verlängerung und Wiederholung gesucht: so bei der ritualisierten Steinigung der Trierschen Venus, wodurch man ganzen Pilger-Generationen das Bewußtsein von Idolen-Stürzern vermittelte. Bild- und Denkmalbehandlung wie diese ähneln der im frühen Abendland weit verbreiteten Praxis, Gerichtsverfahren und Strafvollzug in Effigie durchzuführen, und waren, adressiert an die betreffenden Bezugsgruppen, auch so gemeint. Diese Fälle lassen nicht Willkür, sondern eine berechnete und argumentierende, geradezu prozessual formalisierte Weise des Umgangs mit Denkmälern erkennen (...). Zahlreiche fragmentierte Statuen, die entweder noch in situ (am Ursprungsort) oder in Museen zu sehen sind, verdanken ihre Beschädigung nicht dem Zahn der Zeit, wie man meinen möchte, sondern bedachten Mutilierungen (Verstümmelungen) (...) (12)." In vielen Fällen wurde aber auch dem Werk von künstlerischer Seite mehr Respekt entgegengebracht, was ein Weiterleben als Kunstwerk ermöglichte. Im Gegensatz zur Trophäen-Praxis schöpften sie ihre neue Bedeutung nicht nur aus der Siegerpose, sondern wurden als künstlerisch erhaltenswerte Arbeiten angesehen. Dieser konservatorischerere Umgang war freilich nur möglich bei Arbeiten, die man in ihrer ursprünglichen subjektiven Bedeutung entlehren konnte. Durch subtile Maßnahmen wie z. B. einer Inschriftenänderung konnte das Denkmal materiell unbeschadet den Besitzer wechseln. Einer der bekanntesten und anschaulichsten dieser Fälle ist die Aufstellungspraxis auf der Piazza della Signoria in Florenz. Der 1504 als Denkmal der wiedererstandenen Republik aufgestellte »David« des Michelangelo wurde nach dem unvermeidlichen Sturz dieser nicht automatisch mitbeseitigt. Statt dessen ließ sich der Herzog 1534 unmittelbar neben den republikanischen »David« den gigantischen »Herkules« des ständigen Michelangelo-Rivalen Bandinelli setzen, „(...) damit durch eine »Herkules-Tat« zum Wohle der Untertanen vorspielend und den »David« egalisierend. Der Respekt vor dem Ansehen des Meisters (Michelangelo) und seines Werkes, das deshalb unangetastet blieb, führte hier zur Errichtung eines Gegenmonuments. Der Nachfolger im Amte des Herzogs, Cosimo I., ging in der nach wie vor heiklen Denkmalfrage einen bemerkenswerten Schritt weiter: Er fügte der bestehenden Konstellation den »Perseus« des Cellini (1554) hinzu, blieb damit einerseits in der vorgegebenen Ikonographie des Siegers, verwandelte diese jedoch von ihrer politisch-parteilichen Erscheinungsweise in ein höfisch-chevalereskes, überparteiliches Monument männlicher Stärke. Der manifetative Charakter der bestehenden Denkmäler war damit eingeebnet, aufgehoben in einer Kollektion von Helden-Männern, der 1583 noch die Gruppe des »Frauenraubes« von Giovanni da Bologna hinzugefügt wurde. Dem Künstler des Werkes war es, wie er selbst bekannte, gleichgültig, ob man darin einen Raub der Helena, der Proserpina oder einer Sabinerin erblickte. Artistik und Beliebigkeit führten auf der einst polemischen Piazza am Ende das Wort (13)."
Auf diese Weise wurden zwar die Denkmäler nicht mehr materiell zerstört, aber der symbolische Wert des Denkmals wurde bewußt vernichtet. Gegensätzliche Standpunkte wurden mit dieser retrospektiven Kultivierung eingeebnet. Dem Vergessenmachen nach Art der objektiven Denkmälertilgung steht nun das Vergessen der subjektiven Beweggründe gegenüber, wobei die neutralisierten Objekte erhalten bleiben. Die geänderte Einstellung im Umgang mit konträren Denkmälern auf der Piazza della Signoria läßt bereits deutlich den Prozeß der Musealisierung erkennen. Das musealisierende Engagement kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die neue Toleranz streitender Subjekte mit der Neutralisation derselben bezahlt wurde. In der Inventarisierung statt Vernichtung scheint man bis heute die angemessenste Form für die Behandlung historischer Monumente gefunden zu haben. Die Neutralisierung eines Denkmals und damit der Verlust seiner ursprünglichen Funktion, muß nicht notwendigerweise auf einen bewußten Eingriff zurückzuführen sein. Die vergangene Zeit kann viele Widersprüche glätten, z.B. indem sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen an den Anblick schlichtweg gewöhnen und damit ihre ursprüngliche Bedeutung nicht mehr als Provokation ansehen. Sie befreit von den kurzatmigen Anforderung der Politik. Besonders Großdenkmäler können in heutiger Zeit wieder oder immer noch zum Ziel großer Besucherströme werden, weniger wegen ihrer symbolischen Funktion, als wegen ihrer Sehenswürdigkeit als Zeugnisse „merkwürdiger„ Anstrengungen früherer Generationen. Die Pyramiden in Ägypten oder die Walhalla bei Regensburg erhalten eine neue Hauptfunktion als Urlaubs- oder sonn- und feiertagsmäßige Ausflugsziele. Somit erreichen einige wenige Denkmäler einen ungeahnten Beliebtheitsgrad durch ihre Attraktivität für Touristen, z. B. Freiheitsstatue in New York, wogegen viele andere, mit weniger spektakulärer Aufmachung versehene Denkmäler, an Bedeutung verlieren. Nicht das Denkmal als Denkmal, sondern als Attraktion, hat in den meisten dieser Fälle überlebt. Während viele Großdenkmäler ständig steigende Besucherzahlen aufweisen, scheint umgekehrt die Zahl derer, die kunsthistorisch aufgeklärt sind, zu schwinden. Trotz des mangelnden Interesses an der ursprünglichen Denkmalsidee, scheint das Bedürfnis nach Verewigung in der Gegenwart ungebrochen zu sein. In der Walhalla existieren seit Ludwig I. bis heute Besucherbücher, die einem die Möglichkeit geben, seinen Namen in der Nähe derer zu wissen, die in der Walhalla verewigt sind. „Die Tatsache, daß (...) Autogrammbücher auch im Blechkasten eines Gipfelkreuzes oder am Ziel einer Turmbesteigung zur Eintragung auffordern, deutet auf ein Verewigungsbedürfnis, das in den Wandkritzeleien, mit denen viele bedeutende Bauwerke der Vergangenheit übersät sind, in eine Unart des Touristenzeitalters umgeschlagen ist (14)."
Dadurch, daß das Denkmal den Kontakt zu seinem Gegenüber sucht und braucht, wird es durch dessen Verhalten wesentlich mitbestimmt. Kein Denkmal vermag seine ursprüngliche Aufgabe weiter zu erfüllen, wenn es als solches nicht mehr beachtet wird.

Den Zweifel an der Tragfähigkeit der reinen Denkmalsidee erkannte schon Robert Musil, als er sagte: „Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler (15)". Während Goethe noch von einem radikaleren Umgang mit Denkmälern ausging: „Ich kann nicht an eine Bildsäule denken, die einem verdienten Mann gesetzt wird, ohne sie im Geiste schon von zukünftigen Kriegern umgeworfen und zerschlagen zu sehen (16)." Aus der Skepsis heraus, ob es überhaupt noch sinnvoll oder möglich ist, Denkmäler zur bleibenden Erinnerung zu errichten, thematisierte Timm Ulrichs dieses meist lächerliche Bemühen um ein eigenes Denkmal mit der Arbeit „Auf der Unterseite der Erdoberfläche„ (1979/90). Die Skulptur als traditioneller Bronzeguß wurde als Negativform ebenerdig mit den Füßen nach oben in den Boden eingelassen, wodurch sie sich der Wahrnehmung weitgehend entzieht. „Das Unterirdische, hier das Begrabene und Vergrabene, unserer Lebensphäre Entzogene, ist zugleich auch das im Dunklen Liegende, das nur mit großer Anstrengung der Einbildungskraft zu Tage gefördert werden kann (17)." Durch diese materielle Aussparung wird das Wesentliche zu einem potentiellen Ereignisraum der Assoziationen. So heißt es bei Paul Valéry (»Herr Teste«): „Was ich sehe macht mich blind. Was ich höre macht mich taub (...). Nimm alles weg, damit ich sehe.„ Und Novalis sagt in seinen »Fragmenten« 1800/02: „Alles Sichtbare haftet am Unsichtbaren, das Hörbare am Unhörbaren, das Fühlbare am Unfühlbaren. Vielleicht des Denkbare am Undenkbaren (...). Wir sind mit dem Unsichtbaren näher als mit dem Sichtbaren verbunden.„

(1) Scharf H.; Kleine Kunstgeschichte des deutschen Denkmals; Wissenschaft-
liche Buchgesellschaft Darmstadt 1984, A. Allgemein
(2) Mittig H.; und Plagemann V.; Denkmäler im 19. Jahrhundert; Prestel-Verlag Mün
chen 1972, S. 7
(3) Mittig H.; 19. Das Denkmal, in: Busch W. und Schmoock P.;
Kunst die Geschichte ihrer Funktion; Quadriga Verlag Weinhein und Berlin 1987,
S. 464
(4) Hofmann A.; Denkmäler II; Handbuch der Architektur (8. Halbbd., H. 2a),
Stuttgart 1906, S.301
(5) Bense M.; Einführung in die informationstheoretische Ästhetik; Hamburg 1969, S. 10
(6) Vogt Adolf M.; Das architektonische Denkmal; in: Mittig H. und Plagmannn V.;
a.a.O. S. 29-30
(7) Hinz B.; Denkmäler; in: Diers M.; MO (NU) MENTE; Akademie Verlag GmBH
Berlin 1993, S. 300
(8) a.a.O. S. 302
(9) Scharf H.; a.a.O. S. 11
(10) Scribner B.; Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit; Wiesbaden 1990
 vgl. Bredekamp H.; Kunst als Medium sozialer Konflikte. Bilderkämpfe von der  Spätantike bis zur Hussitenrevolution; Frankfurt am Main 1975
 vgl. Warnke M.; Bildersturm. Die Zerstörung des Kunstwerks; München 1973
(11) Hinz B.; Denkmäler, in: Diers M.; MO (NU) MENTE; Akademie Verlag GmBH
Berlin 1993, S. 304
(12) a.a.O. S. 306f.
(13) a.a.O. S. 308
(14) a.a.O. S. 15
(15) Musil R., Nachlaß zu Lebzeiten; 1936
(16) Goethe im Gespräch mit Eckermann; zitiert nach Romain L.; Bis Jetzt. Plastik
im Außenraum der Bundesrepublik; S. 315
(17) Romain L.; a.a.O. S. 316