Unbekannt 1
von Reinhard von Tümpling
Annäherungen an einen Unbekannten mit dem Namen Rachmaninov. Eine halbe Gemeinschaftsarbeit in 2008 entstanden durch „Sophia“ Ich habe bei der mehrfachen Durcharbeitung Sophias und meiner Texte zeitparallele Gemeinsamkeiten entdeckt, deren Sinn nachdenklich machen konnte. Wir hatten den Leitbegriff Rachmaninov als Dachbegriff gewählt, weil seine Musik wie eine blumenreiche Ausdrucksweise ist, gleich einer bunten angeregten Unterhaltung mit offenem Ergebnis. Wo die Arbeit Sophias in ihren ersten beruflichen Schritten im Praxisjahr vor dem Philosophiestudium eine bewegende Zwiesprache auslöst, habe ich meine SchülerInnen bildnerisch auf die Entdeckung eines gemeinsamen Unbekannten hingeführt und wir hofften zeitgleich dasselbe – aber mit anderen Mitteln - machen. Ohne die Erfahrungen mit einer anderen guten Freundin hätte ich diese Sache kaum so begonnen. Über einige Zwischenschritte hatten wir beide ein freundliches Gemeinschaftsprojekt zur Realisierung geplant, dessen gemeinsamer Nutzen für uns nicht klar ersichtlich war. Es war im Ansatz Zeitkunst im Sinne von „Cross-Media“. Zuletzt entzog Sophia mir das Recht, ihre Texte zu benutzen und ich kam so zu einem anderen Format. Sophia schickte mir zu Beginn dieses Vorgangs ein Dokument. Ich muss leider aus Lizenzgründen auf die Textwiedergabe verzichten. Es geht im wesentlichen um eine gedankliche Reflexion zur Geldbörse des verstorbenen Großvaters. Uberschrieben zu den „letzten Dingen“ Ich besitze auch eine solche Geldbörse. Sie war im Besitz meiner Tante, die zuletzt in Darmstadt lebte und dort auch verstarb. Mich verbindet nichts großartiges mehr zu ihr und ich habe sie nur zur Dokumentation aufbewahrt, wie auch einige andere Papiere von ihr. Damals lernte ich sie im Odenwald kennen, als ich sie als Junge besuchen konnte und einen Teil der Ferien dort verbringen durfte. Ich habe diese Geldbörse eingeordnet in eine der untersten Kisten. Einige Sachen aus dem nachgelassenen Besitz meiner Tante sind hier in der Wohnung verteilt; einige Bilder von ihrem bereits einige Jahre zuvor verstorbenen Mann hängen in der Wohnung hier. Ich habe diese Brieftasche damals durchgesehen, als ich den Auftrag hatte, die Wohnung in Darmstadt aufzulösen. Sie lag zusammen mit einigen Brillen in der obersten Schublade des wunderschön furnierten Sekretärs, vor dem ich immer sehr viel Respekt besaß und der mir als Kind bereits früher schon auffiel. Ich nahm sie als Wertgegenstand recht schnell mit nach Hause und auch einige andere Sachen. Zur Tante hatte ich als Kind damals recht wenig Kontakt. Sie wohnte mit ihrem Mann in einem Luftkurort des Odenwalds, der für seine erhaltenen Häuser bekannt war. Der Krieg hatte hier nichts zerstört, weil es keine kriegswichtige Industrie gab und weil der Ort nur im Sommer zur Erholung genutzt war. Das Kleingewerbe für die Arbeit der Menschen im Winter kam aus der kolonialen Vergangenheit Deutschlands in Afrika und war mit Kriegsausbruch damals sehr schnell zum Ruhen gekommen. Der Ehemann der Tante wurde während des Krieges ins Stahlwerk zur Arbeit verpflichtet und die Tante war in einem kleinen Betrieb im Akkord mit dem Drehen von Patronenhülsen beschäftigt. Ich verstand das als Kind gegenüber diesen frischen Eindrücken alles garnicht richtig. Sie kehrten beide unversehrt aus dem Krieg heim, müde, ausgelaugt und leer, brauchten Ruhe und fanden sie auch. Die Tante verkaufte ein Grundstück in Darmstadt und zahlte wegen der Rente eine Betrag in die Rentenversicherung ein. Seit dieser Zeit lebten meine Tante und ihr Mann nun dort wurde. Das Haus war eine kleine Villa außerhalb des Ortes. Sie war leicht flachschräg gedeckt und war eher eine abgeschattete Sommervilla als ein festes und dickes Steinhaus. Sie hatten einen sehr schönen verwilderten Garten mit hohen Gräsern, in dem ich herumstreifen konnte und der auch nicht gemäht wurde. Der Eingang des Hauses hatte seine Besonderheit in den Pfosten des Eingangsvorbaues. Wie bei Ernst Ludwig Kirchner waren die Pfosten sorgfältig mit einem eckigen Muster geschnitzt und verliehen dem Haus einen wirklich künstlerischen Ausdruck. Später bei der Beschäftigung mit E. L. Kirchner musste ich wieder daran denken ... Der Onkel saß oft an der Staffelei. Das Seitenlicht nach Südwesten hin kam aus dem großen Fenster mit drei großen senkrechten Scheiben und beleuchtete die Staffelei, welche Ränder mit verschmierten und zähklebrigen Ölfarben hatte. Er malte Landschaften mit Bergen, Wolken, Wälder, Bäuerinnen, Drachentöter und Drachen, Weintraubenbilder......- er zog seine Bildinhalte hin und wieder aus der Siegfriedsage und malte gerne und viel. Die Bildinhalte waren durch den Wandel des Menschenbildes nach dem Krieg nicht mehr zeitgemäß. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg nur mühsam erwirtschafteten Wohlstand und Wiederaufbau. Onkel und Tante waren nicht christlich eingestellt und waren durch den Krieg auch nicht in der Lage, sich alternativ ein philosophisches Menschenbild aufzubauen. Ich habe die hinterlassenen Gegenstände nach dem Ableben in „Annehmen und Nichtannehmen“ unterscheiden müssen und hatte eine sehr ungeschicktes Gefühl dabei. „Die Bibel hingegen spricht von den „letzten Dingen“ im Zusammenhang mit dem, was der Mensch an seinem Lebensende „vorfindet“, also nicht davon, was er hinterlässt. Im Christentum ist an dieser Stelle von den „vier letzten Dingen“ die Rede: dem Tod, dem jüngsten Gericht, dem Himmel und der Hölle.“ Die Tante hatte den Tod des Ehemannes bereits miterlebt und pflegte regelmäßig jemanden in der Nachbarschaft bis zu dessen Ableben. Ich selber habe nun einen Teil des Erbes weiterzuführen. Sophie musste sich mit Bonhoeffer beschäftigt haben. Dessen Situation war mit dem Nationalsozialismus verknüpft und er dient der nachfolgenden Generation im Übergang zum Reifestadium als mahnender Grenzstein, bevor mit Geschichte und Fachstudium der Eintritt in die Berufswirklichkeit erfolgt. „Bonhoeffer definiert die „letzten Dinge“ als den Umstand, dass der Mensch sein Tun und Handeln vor Gott rechtfertigt. Als „vorletzte Dinge“ bezeichnet er alles, was in dieser Welt geschieht. Die Verbindung der beiden sieht er als den eigentlichen Auftrag der Kirche. Wenn der Mensch sich mit dem Tod auseinandersetzt, beginnt er über das alltägliche und übliche aus einer anderen Sicht heraus nachzudenken. Was sind die wirklich wichtigen Dinge im Leben, auf die es dauerhaft gesehen ankommt? Es lässt sich oft eine Verbindung zwischen den wichtigen Dingen und den damit verbundenen größten Herausforderungen des Lebens feststellen. Die wichtigen Dinge bringen Probleme mit sich, deren Umgang damit die eigentliche Herausforderung des Lebens darstellt.“ Die wirklich wichtigen Dinge des Lebens sind für Sophia die Liebe, der Tod und die damit verbundene Frage nach der Auferstehung und Wiedergeburt. Es handelt sich hierbei um Elementares, das sich unserer Beeinflussung und Kontrolle entzieht. Beunruhigend schien Sophia, dass die Dinge, auf die es letzten Endes wirklich ankommt, außer Reichweite unserer Entscheidung und Handlung in Bezug auf das bewusste Planen des Alltages stehen. Es verwundert also nicht, wenn man eher dazu neigt, die Thematik des Todes und auch die tiefe Analyse der Liebe zu verdrängen. Aber verdrängen bedeutet, dass wir irgendwann zu dieser Frage zurückkehren müssen. Spätenstens dann, wenn wir unmittelbar mit unserem Ende konfrontiert werden. Wir greifen dann zu Büchern, die Philosophen und Denker verfasst haben, sind nach Beendigung eben jener aber enttäuscht, weil auch diese lediglich Vermutungen anstellen können. Wir werden also nicht davor bewahrt, uns persönlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.“ Wenn ich mich nochmals überwinde und die Brieftasche der Tante öffne? Finde ich dann Dinge vor, die sie hinterließ? Ich fand damals etwas vor, und begreife nun erst die Verschlüsselung ... Bei den Gedanken über die Dinge des Lebens stößt Sophia wieder auch auf das Wort „Wahrheit“. Es steht für sie auf derselben Ebene wie die Worte Tod, Geburt und Liebe. Oberflächlich ist es, wie die drei anderen Wörter, einfach zu erklären. Ehrlich und aufrichtig sein. Ebenso wie der Tod für uns das Ende und die Geburt der Anfang des Lebens ist. Die Liebe zeige sich in einer Zuneigung und Verbundenheit zu unseren Mitmenschen. Beginnen wir aber, diese Worte in einen Kontext zu stellen, der sich dem „Sinn des Lebens“ unterordnet, bekommen die Worte Liebe, Tod und (Wieder-)Geburt eine neue Größe und Bedeutung. Sie werden für Sophia zu den „Wahrheiten des Lebens“ und offenbaren sich als die „letzten Dinge“, die im Leben wichtig sind. Wenn Sophia Gespräche mit Menschen verfolgt, die sich dem Lebensende nähern, betonen viele, dass das, was letzlich zählt, die „wahre Liebe“ sei. Das „letzte Ding“ ist für uns Menschen die Liebe. Eine Form der Wahrheit, die, wie wir hoffen, die Abgründe der Ewigkeit des Bestehens des eigenen Seins füllen, und diesem somit einen Sinn einhauchen wird. Es gibt jedoch auch die „letzten Dinge“, die wir hinterlassen wollen. Dies mag etwas Vergängliches sein, das wir aufgebaut und an die nachfolgenden Generationen weiter gegeben haben, aber auch Ideen, die Generationen zu überdauern vermögen. Sophia kam auf die Frage zurück, was der Mensch als „letztes Ding“ von sich selbst auf der Welt hinterlassen möchte. Die Ausführungen der materiellen Gegenstände, die nach dem Tod eines Menschen zu dessen „letzten Dingen“ werden, entziehen sich schließlich der Beeinflussung durch denjenigen, der stirbt und hinterlässt. Bedeutende Entdeckungen, literarische und künstlerische Werke oder Architektur sind würdig, hinterlassen zu werden. Sie fördern die Generationen nach uns und verwandeln sich in Geschichte. Diese ist der Grundpfeiler der Gesellschaft, die nach uns „letzte Dinge“ erschaffen wird. Dieser Wunsch steht in einem Zusammenhang mit der Angst des Vergessenwerdens. Der Wunsch, dass unser Sein auf der Erde Spuren hinterlässt und die damit verbundene Angst vor der Vergänglichkeit ist groß. Die Vorstellung etwas abzuschließen und zu verlassen mit der Folge, dass man selbst der oder die Letzte sein könnte, der dieses verschließt, regt in uns ein banges, wenn nicht sogar ängstliches Gefühl. Wir wollen vermisst werden. Es soll immer noch nach uns jemanden geben, der anhand der Hinterlassenschaft daran erinnert wird, dass es mich gegeben hat und eventuell in einer anderen Seinsform weiterhin geben wird. Sophia wünscht, dass es von ihr auch eine Brieftasche geben wird, die ein Nachfahre in der Schreibtischschublade aufbewahrt, um diese, wenn ihr Name in der Vergangenheit kurzzeitig präsent wird, zu einem Verbindungsglied mit ihrer Person zu machen. Darüber hinaus besteht aber auch der Wunsch, etwas nicht Materielles zu hinterlassen. Eine Idee, die auch nach ihrem Ableben bestand und eventuell auch Einfluss auf die nach ihr kommenden haben wird. Somit konzentriert sie sich im Dieseits auf die „vorletzten Dinge“. Die Beantwortung der Frage nach den „letzten Dingen“, um an Bonhoeffers Idee anzuknüpfen, wird sich erst in einer anderen Form des Seins ergeben. Sie hat Einfluss auf das, was sie auf dieser Erde hinterlassen würde. Was danach kommt, bliebe abzuwarten. „Sophia“.... Über einige Schritte hinweg musste ich mich an Stockhausens weiten Ansatz erinnern:
Das andere zu betrachtende Problem: Youtube:
Dieses entsprach dem musikalischen Format von Sophia.
Wir unterhielten uns recht gut und der erste Eindruck für mich war der einer recht wachen, frohen und intelligenten Gesprächspartnerin und ich gewann recht schnell Vertrauen. Es ergaben sich Gemeinsamkeiten, die wir ab da nutzten. Ich muss mich dazu der Symbolsprache der bildenden Kunst und der Methodik des Lehrers bedienen. Überschnitten werden dabei mit meinen Mitteln inhaltlich und bildnerisch der „rein-trüb“-Kontrast, der „bunt-unbunt“- und der „stumpf-leuchtend“-Kontrast.
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Zum Speichern von Bildern und Schablonen: |
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Es geht also ab nun bildnerisch um einen Unbekannten, der uns auf einem Stuhl zum stufenweisen Entdecken gleichsam gegenübersitzt. Die benutzte Bilddatenbank:
Die methodische Konzentration:
Die von Sophia übersandte und einzuhaltende Wunsch-Palette: Noch eine methodische Verdichtung während der Arbeit:
Einige Ergebnisse:
Die Erlaubniszettel der Erziehungsberechtigten zum Abbilden der verwendeten Schülerarbeiten der 6. Jahrgangsstufe HS (By) aus dem Schuljahr 2007-2008 liegen real vor. Die Bildidee....
Sophia – eine Überschreibung aus dem praktischen und Studium vorbereitenden Jahr in (z.B.) Flensburg: Projekt „Malraum“ – Dokumentation Motivation Sophia stellte den Mangel fest, dass Kunst durch die Materialkosten und das Gebot der Stille und Konzentration zu wenigen Menschen zur Verfügung steht, und deshalb elitär sei. Dies solle sich etwas ändern. Für dieses dreiwöchige Projekt beantragte Sophia Fördermittel bei der (Bundeszentrale für kulturelle Jugendbildung) und konnte diese Zeit also für Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher Herkunft anbieten. Zugleich sammelte Sophia allgemeine und sachfällige Erfahrungen im Umgang mit Menschen. Planung – Konzeption Arno Stern kommt aus einem anderen Hintergrund und trägt sich selbst. Er hatte bereits die sachliche Reflexionsphase hinter sich und stand bereits als Erfahrungsbild in der Öffentlichkeit. Es schien ein leichtes, sein Konzept des „Malraumes“ im übertragenen Rahmen in der sozial-integrativen Stadtteilarbeit umzusetzen und anzuwenden, Einrichtung – Materialbeschaffung Sophia bekam kostenfrei große Offset-Malbögen zur freien Verfügung. Die Farben, die Pinsel, die Mappen für die Bilder, den Palettentisch für die Farben und alles andere kaufte sie vor Beginn des Projekts. Mit Unterstützung einer Jugendwerkstatt waren innerhalb einer Woche die Tische, Regale, Farben, Staffeleien, Pinsel und vieles andere schnell umgeräumt. Der Wände als Bildträgerpapier wurden mit Packpapierbahnen ausgeklebt, damit man leichter an die Grenze des Papiers malen kann. Der Fußboden wurde mit Planen abgedeckt. Wichtigstes Teil des Konzeptes ist die Farbenbar mit 2 x 18 Löchern in der Mitte für die Pappbecher. Arno Sterns Prinzip ist, dass immer mit einer Farbe zur Zeit gemalt wird. Zu jeder Farbe gab es nun einen passenden Pappteller als Farbenpalette Die Teilnehmer suchten sich die Farbe aus, nahmen den Pinsel aus dem Wasser und tupften den Pinsel auf dem Papier aus. Nun gingen sie zu ihrem Bild, malten mit dieser Farbe. Danach stellten sie den Pinsel zurück ins Wasser, den Pappteller wieder an seinen Platz und entschieden sich für die nächste Farbe. Im Wasserbecher mit Wasser befand sich jeweils zum Malen ein dünner und dicker Pinsel.
Öffentlichkeitsarbeit Diese Arbeit umfasste einen Monat vorher das Herstellen von Plakaten und Flyern, Pressemitteilungen und Interviews. Es waren auch Informationsbriefe an alle sozialen Einrichtungen (Kindergärten, Kinderhorte, Altenheime, Jugendwerkstätten, Behindertenheime) zu machen. Eine Woche vor Beginn des Malraum-Projekts waren die Kurse ausgebucht und es waren zusätzliche Kurse einzurichten. Die Teilnehmer setzten sich altersgemischt aus Kindergartengruppen, Kindern aus Tagesstätten, Jugendliche aus Werkstätten, Väter und Mütter mit ihren Kindern, Omas mit ihren Enkeln, Hausfrauenbünden und neugierigen Künstlern zusammen. Im Idealfall war das Alter gemischt. Es gab aber auch einige Gruppen, in denen alle Teilnehmer sich kannten, weil sie die Sicherheit bekannter Bezugspersonen brauchten. Durchführung des Projekts Die Malstunden begannen immer damit, den Malkittel anzuziehen, sich eine Stelle im Raum zu suchen und das Malpapier anzukleben. Für Sophia waren die Beobachtungen der Teilnehmer über die jeweilige Dauer von 90 Minuten recht interessant; so bekam ein Kind einen Tobanfall und sie verbrachte erst einmal mit ihm allein 15 Minuten im Malraum, in dem er mit einem Pinsel auf Sophia einhämmerte und immer wieder nur schrie, dass er das alles nicht könne. Sein erstes Bild war schwarz und rot....wilde Spritzer und rote Kringel. Das zweite Bild des schwierigen Kindes war Gelb und Grün und Blau.. akkurate Striche... Eine andere beeindruckende Erfahrung war die Veränderung einer 54-jährigen Frau: anfangs zeigte sie sich sehr kritisch. Sie erwartete eine Bewertung und wurde mit der Zeit offener und fragte dann zuletzt ein Kind nach dessen „verblüffender Spritztechnik“. Ein Junge aus einem Kinderhort hat im Malraum zum ersten Mal sechs Sätze nacheinander gesprochen. Ein anderer fand zum ersten Mal für ganze 20 Minuten Ruhe. Am Ende des Projekts wurde gemeinsam der große Stapel der gemalten Bilder durchgeblättert, das Bild herausgesucht und mit heim genommen. „Ach, das ist ja nett. Ist das von mir?“, wurde sie des öfters mit verblüfftem Gesichtsausdruck gefragt. Oder auch: „Ach, ich wusste überhaupt nicht, dass ich sowas kann!“. Es gab auch anderes. Ein Mädchen erzählte, dass der Vater abends die Bilder zerreißen würde. Manche Bilder wurden für eine spätere Abholung beiseite gelegt. In der Küche, die vor dem Malraum gelegen war, sprachen die Teilnehmer neben einer Tasse Cappuccino und Keksen viel miteinander. Und sie hörte einmal, wie eine Frau zu einer anderen sagte: „ich habe hier die Möglichkeit, ich selbst zu sein. Ich brauche nur den Pinsel zu nehmen, ihn in Farbe zu tauchen und los malen. Die anderen sind nichts besseres als ich. Wo gibt es das heutzutage noch?“ Rückmeldungen – Fazit – Dank Sophie bedankte sich bei den Unterstützern ihrer Arbeit für den abgehaltenen Malraum, die Förderung durch das Kulturbüro, bei der Presse und auch bei dem Fernsehen. Der Dank ging auch an die Träger des Projekts.
Sophia war mit ihrem Projekt zufrieden. Flensburg, 1. April 2007 Sophia
Ich dachte mehrere Male bei der Arbeit an dieser Datei als Weiterführung an die Lübecker Kirche mit den ausgestellten Frottagen. Dort waren Sonnensegel in der Apsis gespannt, die dem Raum etwas helles und heiteres gaben und ihn wieder in seiner strengen Räumlichkeit auflösten und in eine nachdenkende Form hinein verwiesen. Wir könnten durchaus einmal das Experiment mit hellfarbigen gelbbraunen bis ockerfarbenen Sonnensegeln während eines Streicherkonzertes machen, denn gerade das Cello odert der Kontrabass vermögen eine gewaltige, vielfältige und warme Färbung zu erzeugen. Vielleicht sind diese Sonnensegel auch für langsam und vorsichtig überblendende warmfarbige Lichtprojektionen und –installationen geeignet. Wer weiß, ob die soziale Wirkung von Kunst später und anders zum Ausdruck kommt? Nachbemerkungen zum Lehrplan: Für mich ist die Arbeit in dieser Datei eine Auseinandersetzung mit der Faszination des Unbekannten an sich. Ich kenne zur Zeit des Erstellens dieser Datei zwar den Inhalt und die Methode, aber nicht das genaue Ziel und ich betrachte also dieses Experiment als völlig neue Erfahrung und es ist sehr fraglich, ob ich ein Ziel formulieren kann, ohne die Weise zu verletzen. Ich habe für mich aber sehr wohl das Gefühl, zu neuen und anders begründetem Ausdrucksformen gekommen zu sein, weil die primäre Grunderfahrung eine andere war. Unter bekannten formalen Kriterien ließe sich diese Datei einordnen unter: 5.1 In Bildern erzählen: Aus Phantasie und Wirklichkeit
8.3 Künstlergruppen und Einzelgänger: Wege in die Moderne
Betrachten: Künstler und Werkbeispiele: Wegbereiter im 19. Jh., z. B.: Realisten und Impressionisten van Gogh und Gauguin Einzelgänger und Künstlergruppen im 20. Jh., z. B.: Picasso und der Kubismus, Kandinsky und Klee, deutsche Expressionisten ("Die Brücke", "Der Blaue Reiter") 9.2 Empfindungen anschaulich machen: Stimmungsbilder
Gestalten: Malen, Zeichnen
Betrachten: Schülerergebnisse, Kunstwerke; Überprüfen der Wirkungen im Gespräch, z. B. nach dem Stimmungsgehalt, den Ausdruckswerten von Farbe und Form, ggf. der Bedeutung von Zeichen und Symbolen KUNSTBETRACHTUNG 9.3 Künstler gehen neue Wege: Tendenzen der Gegenwart
Der aus- und vorformulierte Themenbereich ist wegen der Anschaulichkeit und der konkreten jeweiligen Lebensumstände sehr weit gefasst. Ich habe mich hier eher bemüht, diesen Bereich völlig neu zu begreifen. Übertragen auf andere kulturell anerkannte Ausdrucksweisen ergeben sich weitere Möglichkeiten. Wir hatten uns mit unterschiedlichen Methoden der Motivation angenähert. Nur ein singuläres Ereignis war dies wohl nicht. |
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...... das überschriebene Phänomen Sophie, im Juni 2008 und Reinhard von Tümpling |