Wechselausstellung

von Reinhard von Tümpling

Meine Kollegin Anja Wuttke und ich entwickelten die Idee einer Wechselausstellung. Wir haben beschlossen, unsere im Unterricht entstandenen Arbeiten wechselseitig Schulart übergreifend und Bundesland übergreifend auszustellen; die Arbeiten meiner Kollegin waren für drei Wochen bei uns in der Hauptschule 87616 Marktoberdorf ausgestellt, und meine Arbeiten waren im gleichen Zeitraum in den Räumen der Katholischen Schule Bernhardinum in 15517 Fürstenwalde ausgestellt.

Wir hatten die Zustimmung aller unserer Vorgesetzten.


Meine Kollegin Anja Wuttke stellte folgenden Text als offizielles Begleitschreiben zur Verfügung:

1. "Wanderausstellung" der Katholischen Schule Bernhardinum Fürstenwalde in Marktoberdorf

Die hier ausgestellten Arbeiten sind Kunstwerke meiner SchülerInnen der Klasse 7d unserer Schule. Sie entstanden im vergangenen und zu Beginn dieses Schuljahres im Kunstunterricht. Von Juni-September haben wir uns gemeinsam dem großen Pablo Picasso angenähert, indem wir uns viele seiner Arbeiten anschauten (auf Reproduktionen aber auch hautnah im Museum), über sie diskutierten und schließlich selbst versuchten, kubistisch zu arbeiten.

Wir wünschen euch viel Freude beim Betrachten der Bilder und Collagen und würden uns riesig freuen, wenn ihr uns wissen lasst, wie sie euch gefallen haben.

Kleiner Tipp: Wer auch Spannendes aus Pablos Leben erfahren möchte, dem empfehlen wir das Buch Pablo Picasso entdecken von Ulrike Welker.

Unser Schulzentrum befindet sich in Fürstenwalde, südöstlich von Berlin im Land Brandenburg. An unserer Schule lernen knapp 900 SchülerInnen von der 1. bis zur 13. Klasse.

Mein Name ist Frau Wuttke und ich unterrichte Kunst zur Zeit von der 1. zur 7. Klasse. Durch unsere gemeinsame Arbeit habe ich euren Kunstlehrer Herrn von Tümpling kennen gelernt. Deshalb kommt es nun erstmalig zu einer solchen Ausstellung bei euch und selbstverständlich auch bei uns. Ab dem 13. Januar 2004 stellen wir Kunstwerke von SchülerInnen eurer Schule aus und sind ziemlich gespannt...

Alles Gute noch für das gerade begonnene neue Jahr wünscht herzlichst,

Frau Wuttke

 

 

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Hier die Bilder meiner Kollegin:


Bild: 130-3069 Die SchülerInnen in Fürstenwalde fertigen ihre Stillleben


Bild: 130-3086 die Stillleben als Ausgangsbasis

 


Bild: 130-3066 ebenso

 

Die Vorbereitung der Ausstellung:


Bild: Anja_au1.jpg
Picasso Portrait, Stillleben, Paar, Stilleben in Schale: DIN A4 Farbstifte


Bild: Anja_au3.jpg
Selbstportraits, Foto-Kopierer-Übermalung


Bild: Anja_aux.jpg
Die Collagen im zusammengesetzten Querformat an der Wand, noch ohne Zusatz der Ursprungsfotos

Die eigentlichen Ausstellungsbilder:


Bild: anja_a_1.jpg
Ich mache die Einführungsbesprechung in meiner 7. Klasse

Bild: anja_a_2.jpg
meine Achtklässler bei der Bildbeschreibung (es lag ein Arbeitsauftrag vor: beschreibe ein Bild, versuche dein Gefühl zu beschreiben, erzähle etwas von dir selbst)

Bild: anja_a_4.jpg
Bildbeschreibung

Bild: anja_a_7.jpg:
Diskussion vor den Bildern

Bild: anja_a_8.jpg:
der Arbeitsauftrag: was ist zu sehen
und warum mutet mich dies Bild an

Bild: anja_a12.jpg:
Meine Achtklässlerinnen ganz vertieft


Bild: anja_a15.jpg: die persönliche Preferenz

 

Mit den Zetteln der Bildbeschreibung in der 7. und 8. Klasse hatte ich dann den Auftrag in meiner 9. Klasse, "einige Briefe zu schreiben an die SchülerInnen meiner Kollegin". Ich besorgte schönes Briefpapier, las die Briefe nicht und schickte diese Post auf Reisen. Der Sinn lag darin zu erkennen, dass hinter dem Bild immer auch ein Mensch in ähnlicher Lebenslage ist, den man gern haben kann und vielleicht sogar zu erkennen, warum.
Ausdrücklich galt aber, dass der Brief keine Kontaktbörse sein soll. Dennoch ergaben sich aber einige persönliche Kontakte, von denen ich hoffe, dass sie zur äußeren und inneren Bereicherung des eigenen Lebens und des künftigen Lebenshorizontes beitragen mögen. Wir wollten dies unterstützen.


Ich habe ebenso drei Begleitschreiben gemacht: eines als formale Danksagung und eines als sehr persönliche kollegiale Danksagung. Ein dritter Text stand den SchülerInnen meiner Kollegin als Briefpost zur Verfügung, ich habe ihn von Hand farbig in Kids Outline 24 pt kursiv ausgestaltet.

Hier mein Text:

Liebe SchülerInnen,

wir bedanken uns für eure schönen Bilder für die Wechselausstellung und haben sie bereits bewundert.

Ich bin der Herr v.Tümpling und ich bin auch Lehrer. Ich habe aber drei Schulen.

Meine Schüler mag ich gerne und ich kenne deine Lehrerin seit einiger Zeit. Wir arbeiten gerne miteinander zusammen.

Wir denken an dich!


Hier meine Bilder in Fürstenwalde:

 


Bild: re_aus_3.jpg: im Erdgeschoss des Bernhardinums

 


Bild: re_aus_2.jpg: Stillleben nach Morandi, Bleistiftzeichnungen, Picassos gebrochene Musikinstrumente


Bild: re_aus_5.jpg: oben: "das Frühstück im Freien"- frei nach dem Jetzt-Magazin der SZ, abstrakt interpretiert, Farbübungen, das Arbeitsblatt "Lebensaltersstufen" (Wolf-Lehrwerk), unten: der Chiwawa-Mann und "Handwerksberufe im Mittelalter (Brueghel)"

Bild: re_aus_6.jpg: Bleistiftzeichnungen (Bildidee und formale Motiv-Fortführung), Mischtechnik- Studien nach Leonardo

Bild: re_aus_7.jpg:
Farbübungen zur Raumwirkung von Farbe,
grafische Übung "Stein"-Strukturen und Paul Klee-Zitate

 

 

 


Bild: re_aus_4.jpg:
Das Rhinozeros von Dürer und das vergrößerte Puzzle- Teil aus unserer bereits bestehenden Zusammenarbeit. Diesem Foto verdanke ich persönlich sehr viel (die Puzzleteile hingen in ähnlicher Qualität bereits, als ich meine Kollegin im Sommer 2003 besuchen konnte...).

Dankeschön, liebe Frau Kollegin!


Meine Kollegin stellte mir nach Beendigung der Ausstellung noch diesen Text zur Verfügung:

Nachgedanken zur 1. Wanderausstellung der Hauptschule Marktoberdorf (Bayern) und der Katholischen Schule Bernhardinum Fürstenwalde (Brandenburg)

"Ein Bild ist ein Schlüsselloch, durch das wir tausend Entdeckungen in unseren Köpfen machen können."

Ein Bild, eine künstlerische Arbeit kann uns Zugang zu eigenen Erlebnissen, eigenen Empfindungen, zur eigenen Psyche verschaffen. So kann es möglich werden, Handlungen, Emotionen und Beziehungen anderer Menschen nachzuvollziehen. Wir können mit Fremdem und Absurdem ebenso konfrontiert werden wie mit Alltäglichem und wohlvertraut Heimeligem. Farben, Farbbeziehungen, Kompositionen und andere formale Aspekte können von einer überwältigenden Kraft geprägt sein.

Bilder bergen für uns Entdeckungen und können Erlebnisse werden. Die Bildbetrachtung stellt im Land Brandenburg einen wesentlichen Bestandteil des Kunstunterrichtes dar. Für viele SchülerInnen sind aber Bilder, mit denen wir KunstpädagogInnen sie konfrontieren, offensichtlich keine Erlebnisse! Sie sind schnell verblassende Sequenzen vor oder nach gestalterischen Übungen. Erste Reaktionen sind oft Befremdung, Ablehnung und Langeweile... . Und oft verspüren SchülerInnen wenig Motivation, in den Bildern auf Entdeckungsreise zu gehen, da die Bildbetrachtung herkömmlich direkt im Unterricht bzw. vor Originalen im Museum stattfindet. Diese schulische Bildbetrachtung dient fast immer der Analyse der formalen Aspekte eines Bildes, damit dann die SchülerInnen aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse selbst gestalterisch tätig werden und die erkannten ästhetischen Gestaltungsprinzipien umsetzen. Dies ist ein kognitives Vorgehen. Emotionale Aspekte, die in normalen nichtschulischen Lebenszusammenhängen unsere Bildeindrücke leiten, werden dabei vernachlässigt.

Wie in fast jedem Bundesland schlagen auch die Verfasser des Rahmenplans Kunst Brandenburg die Teilnahme und Organisation von Ausstellungen an den Schulen vor.

Diese Vorgabe haben mein Fachkollege Herr von Tümpling und ich zu dem schulübergreifenden Projekt "Wanderausstellung zwischen Bayern und Brandenburg" ausgearbeitet, die bei den SchülerInnen an beiden Schulen große Lust am Schauen, am Entdecken und an der Kunst weckte. Ein überaus stolzes Gefühl stellte sich bei allen Beteiligen ein, als klar wurde: wir arbeiteten an ähnlichen Themen und durch den Austausch bewundern nun andere Menschen an einer ca. 600 km entfernten Schule mein Ergebnis! Mit einer kleinen Vernissage wurden beide Ausstellungen etwa zeitgleich eröffnet und sofort begutachteten SchülerInnen Kunst mit erstaunlichem Interesse. Seither besteht ein reger Austausch zwischen einzelnen SchülerInnen, die sich nun freiwillig zur Gestaltung der anderen SchülerInnenarbeiten äußern wollten. Ein fast unerreichbares Ziel, welches sich sonst vielleicht nur im Idealfall einstellt, haben wir somit erreicht: ein ganz persönliches Erlebnis mit dem Bild, dass das Bild mit dem eigenen Ich in ganz individueller Weise verbindet, wurde den SchülerInnen verschafft.

Für diese neue Erfahrung danke ich meinem Fachkollegen Herrn von Tümpling. Auch seiner Schulleitung im Marktoberdorf möchte ich meine Bewunderung für die Offenheit für dieses Projekt zum Ausdruck bringen. Für die Kinder wurden durch Ihre Mithilfe Bilder zu Erlebnissen!

Anja Wuttke

Kunstlehrerin an der Katholischen Schule Berhardinum Fürstenwalde

Reinhard von Tümpling, 2004