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Darauf kannst du pfeifen...
Einige Ideen für eine spaßige Werkarbeit, 
die Köpfchen erfordert aber ohne Fingerspitzengefühl nichts zu Gehör bringt

von Uli Schuster

Das Herstellen einfacher Klangerzeuger -Musikinstrumente klingt zu anspruchsvoll- hatte in der Kunsterziehung einen festen Platz zumindest so lange, wie das Fach um den Begriff "Werken" keinen so weiten Bogen gemacht hat wie das seit dem "Kunstunterricht" der Fall ist. Vielleicht läßt sich so eine Tradition wieder beleben. Mit Sicherheit können Lehrer, die das brauchen, im Bereich der bildenden Künste auch Vorbilder auftreiben. Ich denke nur an den Engländer Dick Higgins mit seiner "mechanical music", einem Konzert aus Staubsaugern, Kaffeemühlen, Haarföhns etc.
Die Abb. zeigt Materialien für jeden Geschmack
Hollunder findet sich in unseren Breiten überall. Das einjährige Rohr schneidet man am besten im Winter, dann ist es weniger saftig und ausgereift. Plastikröhren aus dem Baumarkt werden dort zum Verlegen von Elektroleitungen angeboten. Die dünnsten haben einen Außendurchmesser von 13 mm und einen Innendurchmesser von 10 mm. Da passen die handelsüblichen Rundstäbe genau. Pappröhren erfüllen den Zweck genauso. Man kann sie selber herstellen oder als Verpackungsköcher bekommen. Im gezeigten Fall konnte eine Astlochscheibe als Kern verwendet werden. 
Hier soll zunächst einmal das physikalische Moment der Tonerzeugung mittels einer Pfeife erklärt werden und dann einige Ideen vorgestellt werden, wie sich eine fruchtbare Begegnung von Schülern mit Pfeifen im Kunstunterricht arrangieren ließe. Als Vorübung könnte man fragen, ob jemand in der Klasse einem Strohhalm oder einem Kugelschreiber einen Pfeifton entlocken könne, und schon ist man mitten im Problem: 
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Wie entsteht der Ton?
Die Abbildung zeigt einen Schnitt durch eine Pfeife. Der Pfeifenkörper wird durch ein Rohr gebildet, das aus Karton, aus Plastik (Rohre zum Verlegen von Elektroleitungen aus dem Baumarkt), aus Holz (z.B. einjähriger Hollunder) sein kann. Für dieses Rohr suchen wir uns einen passenden Rundstab aus Holz, der streng sitzt, aber das Rohr beim Einstecken nicht sprengt. Von diesem Rundstab sägen wir ein kurzes Stück, ca 1 cm lang sauber ab. Das wird unser Pfeifenkern. Wir hobeln, schneiden oder schleifen ihn an einer Seite in Längsrichtung ganz wenig ab, so daß zwischen dem Rohr und dem Kern beim Verschließen ein kleiner Spalt bleibt, durch den wir die Luft in den Pfeifenkörper blasen können. Der harte Luftstrahl trifft auf die Labiumkante und wird dort aufgespalten, was zu einem rauschenden Ton führt. Ein Teil wirbelt in den Pfeifenkörper und versetzt die dort vorhandene Luft in Schwingungen, die je nach dem Volumen der Luftsäule zu einem hohen oder tiefen Klang führt.
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Intonieren
Bei dieser Pfeife aus Hollunderrohr ist die Öffnung bereits geschnitten. Man sägt mit der Puk-Säge quer zur Längsrichtung der Pfeife einen vertikalen Einschnitt und hebt dann mit dem Messer einen schrägen, leicht gerundeten Keil aus dem Rohr. Um eine scharfe Labiumkante zu erhalten, kann man mit einer Halbrundfeile etwas nachhelfen. Dann wird der Kern eingeführt. Er muß so lang sein, daß seine vordere Kante bis zum Anfang der "Öffnung" reicht (siehe Querschnitt).
Wie weit genau man den Kern einschieben darf, um einen optimalen Klang zu erreichen, das probiert man am besten aus. Deshalb ist es gut, wenn man den Kern noch gut im Rohr verschieben kann. Manchmal kommt der Ton leichter, wenn man den Pfeifenkörper hinten ganz oder ein wenig verschließt. Wenn man von hinten einen Rundstab einführt (er muß nicht streng sitzen, z.B. ein Bleistift) dann kann man durch Verkürzen oder Verlängern der schwingenden Luftsäule die Tonhöhe verändern und entscheiden, wo man die Pfeife am besten absägt und verschließt. Ganz genau stimmt man, indem man das Pfeifenrohr in ein Glas mit Wasser eintaucht und sich den Wasserstand am Rohr markiert.
Rundstäbe bekommt man nicht in jedem Durchmesser. Aber der Kern sollte gut sitzen. Deshalb ist es gut einen Bohrer mit dem Maß des Rundstabs bereit zu halten und das Hollunderrohr vorsichtig etwas auf Maß zu bohren. Bei Plastikröhren hat man solche Probleme nicht und auch nicht bei Kartonröhren, die man die Schüler selbst herstellen läßt:
Rundstab mit Durchmesser 10 cm mit einer Plastikfolie einmal straff umwickeln, damit die Pappe nicht am Stecken kleben bleibt. Dann Streifen von Zeitungspapier mit Tapetenkleister sehr eng und straff etwa in 10 Lagen um den Kern wickeln und gut trocknen lassen.
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Der Ton aus dem Ton
Wer Wert legt auf ein besonderes Aussehen der Pfeife im Sinn einer Tarnung, der baut sich diese aus Ton. Das Besondere an diesem Exemplar: Mundstück und Klangkörper stehen im rechten Winkel zueinander. Die Luft bläst man dem Tier in den schmalen Spalt seines Mauls, den man am besten mit einer schmalen Blechspachtel erzeugt. in der Draufsicht ist die Öffnung und das Labium zu erkennen. Die Pfeife muß schon im ungebrannten Zustand klingen, sonst besteht auch nach dem Brennen wenig Hoffnung.
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Schikanen
Schon mal in eine Kuckucksuhr geschaut? Was da klingt, sind zwei Pfeifen in einfachster Bauart, und jede mit einem kleinen Balg versehen, der durch einen Hebel angehoben und vom eigenen Gewicht der Balgplatte wieder zusammengedrückt wird. Wir haben solche Bälge aus Papier und Pappe nachgebaut. Beide Balgplatten schneidet man aus 3mm Graupappe natürlich mit der Schneidemaschine ca 7,5 x 4 cm . Die obere Balgplatte muß ein Loch bekommen, auf das, oder besser, in das die Pfeife paßt. Den Balg kann man aus Papier falten, muß ihn allerdings möglichst winddicht mit den Platten verkleben. 
Ein Schnittmuster zum Falten des Balgs hat manche Schüler zur Verzweiflung getrieben, weil sie sich nicht vorstellen konnten wie die Sache funktionieren kann. Aber einige findige Schüler sind in jeder Klasse und irgendwie spricht es sich dann schon herum. In der Kuckucksuhr waren die Bälge früher in der Regel aus feinem Ziegenleder. Die Geschmeidigkeit und die Winddichtigkeit des Materials sind die Kriterien, die den Ausschlag geben. Wer will, und sich nicht erwischen läßt, der kann von Mutters Fensterleder ein Stück entwenden.
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Mechaniken
Jede Menge Schikanen lassen sich erfinden, wenn man die Sache auf die Spitze treiben will, Hier ein Luxusmodell für die Kuckuckspfeife mit Handkurbel. Der Kurbeldraht war einmal ein Kleiderbügel aus der Reinigung. Die Bälge sind aus Fensterleder, die Balgplatten aus Hartfaser, die Pfeifen aus Hollunderrohr. Um den richtigen Winddruck zu erzeugen wurde hinten am Balg eine Druckfeder installiert. Bei der Kuckucksuhr liegt der Balg über der Pfeife. Die Schwarzwälder Bauern haben vor 200 Jahren mit einfachsten Werkzeugen ganze Uhrwerke geschnitzt und gedrechselt. Insofern ließe sich der Bau solcher Pfeifenwerke mit einem Stück Kulturgeschichte verbinden.
Man kann sich die Sache auch als Lehrer interessanter machen, wenn man sich beim Pfeifenbau selbst in den Bereich der Erfindung begibt. Diese Pfeife beispielsweise ist ein waschechtes Lehrerexemplar. Sie besitzt einen Balg aus Gummituch, der schon viel Luft schöpft. Beim Absenken der auf der Deckplatte des Balgs befestigten Pfeife wird ein Stöpsel aus dem Pfeifenrohr gezogen. Der Ton beginnt also hoch und wird hart angeblasen. dann senkt sich der Ton herab und der Luftdruck läßt nach bis zu einem zarten Hauch. Der Antrieb erfolgt wie bei dem oben gezeigten Kuckuck über eine Kurbel mit einer Nocke. Die Nocke hebt einen Zapfen (Schaschlikspieß) an, der im Pfeifenkörper steckt. Zwei Federn sorgen für einen maßvollen Druck. Der Stöpsel muß oben gleiten können, was über eine Ösenschraube am Stöpselende und einen Federdraht sichergestellt wird.
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Zwei, drei Hinweise auf den historischen Hintergrund
Die begabteren der Schwarzwälder Uhrenbauer sind ins Fach der Orgelbauer übergewechselt und haben walzengesteuerte (Portativ) oder uhrwerksgetriebene Orgelwerke gebaut mit vielfältigen Stimmen und Registern. Orgelbau ist auch heute ein hoch anspruchsvolles Handwerk. Allerdings sterben die Experten fast aus, die die komplexe Technologie noch beherrschen.
Für die Mechanik des Uhrwerkskuckucks habe ich eine leicht verständliche Darstellung (links) mit Blick aus dem Inneren der Uhr heraus gefunden. Ganz vorne steht die Schloßscheibe des Schlagwerks gerade kurz vor 12. Sobald das Schlagwerk vom Uhrwerk freigegeben wird, wird der Vogel über mehrere Hebel nach vorne bewegt, wodurch sich auch die Tür öffnet. Der Auslösemechanismus für die Bälge ist leider nicht dargestellt.
Neben der Uhr hat sich ein Vogelstimmenlaufwerk verselbständigt, die "Nachtigall". Es tönt wesentlich komplexer, basiert allerdings auf nur einer Pfeife, deren Rohr mit einem Kolben versehen ist. Durch Heben und Senken dieses Kolbens, sowie durch eine damit abgestimmte Luftzufuhr entsteht das für den mechanischen Singvogel typische Zwitschern.
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Literatur
http://members.aol.com/ReinerJank/home-lai.htm#erklaer
Reiner Janke bietet eine hervorragende Seite für Leute, die wissen wollen, wie eine Orgel, eine Pfeife... funktionieren. Mit etlichen sehr anschaulichen Animationen

http://www.schmuckecke.de/klassiker2/kuckuck.html
Eine informative Seite über die Geschichte der Schwarzwälder Kuckucksuhr

http://www.kuckuck.de/geschichte.html
Eine kurze Geschichte der Kuckucksuhr