Puppen,
die mehr als tanzen
Ein paar Ideen zum Puppenbau im Fach Kunst von Uli Schuster |
Das Puppenspiel war in der musischen Kunsterziehung
lange Zeit ein wesentlicher Bestandteil des Unterrichts. Wo aber mit Puppen
gespielt werden soll, da müssen erst einmal Puppen gebaut werden.
Der Kunstunterricht mit seiner Orientierung auf Kunst und bildnerische
Mittel hat die Idee vom Spiel als erzieherischem Mittel weitgehend verdrängt
und auch dem Werken in diesem Zusammenhang - hier also dem Puppen- und
Bühnenbau - wenig 'Bildnerisches' abringen können. An manchen
Stellen bleibt dann im Kunstunterricht die Bastelei von Puppen und
Puppenstuben übrig, aber zum gemeinsamen Spiel und zur Vorführung
kommt es oft nicht mehr.
Vielleicht gibt es aber gerade heute wieder eine Chance dieses alte Lehr- und Lernmedium zu erneuern, und zwar vielleicht dadurch, dass man es in Verbindung bringt mit Video und Animation, also einer technisch-medialen Form des Spiels, die dem ungeübten Spieler dadurch entgegenkommt, dass Einstellung für Einstellung gearbeitet werden kann. Dieser Unterricht macht die Schüler auch bekannt mit einer Spielkultur von hohem ästhetischen Wert, die ihren Ursprung in der Volkskunst vieler Völker hat. Wer aber als Kunsterzieher unbedingt eine Legitimation in der Bildenden Kunst sucht, der mag sich vielleicht auf Oskar Schlemmer, Olaf Gulbransson, Edward Kienholz oder Stephan von Huehne berufen. |
![]() ![]() Aus finanzieller Not hat der Maler Meggendorfer seinen Kindern 1878 ein selbst gemachtes Bilderbuch mit beweglichen Figuren geschenkt, und wegen des Erfolgs, den er damit auch publizistisch hatte, ist daraus eine ganz stattliche Reihe geworden. Die papiermechanischen Wirkungen beruhen physikalisch auf dem Hebel, werden durch Schieber oder Drehräder in Gang gesetzt werden. Schüler der 7. oder 8. Jahrgangsstufe empfinden es als echte Herausforderung solche Mechaniken zu entwickeln. Die bügelnde Mutter stammt von dem Schüler einer 8. Klasse. Ein Problem hat er nicht ganz bewältigt: Die Hand hätte noch ein Gelenk benötigt. Werkzeuge Neben Scheren und Tapetenmesser ist eine Ahle (oder Radiernadel) sinnvoll. Wenn man mit Musterbeutelklammern arbeiten will, dann sollte man einige Lochzangen bereithalten, um den Gelenken einen 'leichten Gang' zu ermöglichen. Meggendorfer hat die Achsen für die Gelenke seiner Figuren anfangs von seinen eigenen Kindern aus dünnem Draht herstellen lassen. Der Schüler hat für seine Büglerin Reißnägel verwendet. Auch ein Zwirnfaden, den man vor und hinter dem Gelenk an die Hebel anklebt erfüllt bei nicht zu schwerer Pappe seine Zwecke. Graupappe und Zeichenkarton oder Aktendeckel bieten sich als Materialien an, Tapetenreste, Geschenkpapiere, kleingemusterte Stoffreste sind immer gut für die Accessoires verwendbar. |
Lotte Reininger hat sie bekannt gemacht:
bewegliche Scherenschnittfiguren, mit denen sie ihre berühmten Märchenfilme
herstellte. Der Schritt vom beweglichen Bild zur Scherenschnittfigur ist
nur gering und besteht darin, die Figur von einer festen Verbindung mit
einem Hintergrund zu befreien. Vor einer austauschbaren Kulisse wachsen
die erzählerischen Möglichkeiten des Papiertheaters mit flachen
Spielfiguren. Lotte Reininger hat darüber hinaus Figuren und Kulissen
auf Silhouetten reduziert, was nicht notwendig der Fall sein muß.
Im Unterricht ergibt die Trennung von Spielfigur und Kulisse gesteigerte Möglichkeiten für Partner- und Gruppenarbeiten. Als didaktische Musterlösung soll hier ein Videoprojekt zweier Referendare in einer 7. Klasse vorgestellt werden. Die Story wurde von den Referendaren nach einem Märchen "Die drei Wünsche" adaptiert. (Der Film kann hier als Quicktime.mov heruntergeladen werden. Größe: 148 MB !!)
In so einem Unterricht muß man als Lehrer immer darauf achten, dass man ausreichend Arbeitsaufträge findet, mit denen man solche Schüler bei der Stange hält, die sich für eigenverantwortliches Arbeiten als weniger zuverlässig erweisen.
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Von den dreidimensionalen Puppen sind die Hand- und Fingerpuppen die einfachsten Formen und beim Spiel die anspruchslosesten. Über die Hand und Finger gestülpt folgen sie deren Bewegungen ganz unmittelbar. Für das direkte Spiel sind sie daher auch besonders geeignet. Jim Hanson hat aber auch gezeigt, dass sie für das Fernsehen ganz hervorragend geeignet sind. Wenn man sie in unterschiedlichen Größen baut, dann kann man sie auch mit lebenden Darstellern interagieren lassen. Die Videokamera leistet dann das, was sonst Aufgabe der Puppenbühne ist, die Spieler dem Blick des Publikums zu entziehen. Durch die Kamera, ihre Eigenbewegungen und den Schnitt kommt ins mediale Puppenspiel ein Tempo und eine Handlungsvielfalt, die heute insbesondere die älteren Kinder brauchen, um dem Puppenspiel über einen längeren Zeitraum mit Aufmerksamkeit zu folgen. | |||
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Auch ein Stück medienpädagogische
'Aufklärung' lässt sich im Zusammenhang mit dem Puppenbau unseren
Schülern vermitteln, Aufklärung über die komplexen und raffinierten
Puppentricks im Zusammenhang mit dem Animationsfilm. Für "Nightmare
before Christmas" hat Tim Burton manche der Akteure in verschiedenen
Maßstäben bauen lassen. Einige der Hauptcharaktere, beispielsweise
Jack (im Bild unten), besitzen ein bewegliches Innenleben aus Stahl, mit
dessen Hilfe sie in jede gewünschte Bewegungsphase gebracht werden
konnten. Für die Gesichtsausdrücke dieser einen Figur gab
es ein ganzes Sortiment auswechselbarer Köpfe.
Bei "Jurassic Parc" von Steven Spielberg ist längst nicht alles mit dem Computer gemacht. Viele der Dinos haben ein aufwändiges maschinelles, mechanisches wie elektronisches Innenleben. In der Abbildung ein Saurier, der für Bewegungssimulationen mit der Hand bewegt werden mußte. Hier gibt es für Puppenbauer, Modellbauer und Puppenspieler auch in Zukunft ein hochinteressantes Betätigungsfeld. Über beide Filme gibt es Bücher und über Jurassic Parc ist auf der im Handel erhältlichen DVD ein recht informatives 'Making of' erschienen. Frank Thompson: "Tim Burtons 'Nightmare before Christmas", New York 1993 Don Shay und Jody Duncan: "Jurassic Park", München 1993
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![]() Die größte Marionette, die ich mit Schülern je gebaut habe, war ca. 2m hoch und nur ein Kopf. Für ein Faschingsfest in der Aula des Gymnasiums in Hilpoltstein thronte dieser Koloss mit glühenden Augen über der Bühne und konnte von unten über einen Seilzug sein Maul aufreißen. Der Kopf wurde in der Bauweise erstellt, wie auch Großplastiken oder Großfiguren für Faschingszüge gemacht werden. Wie auch vom Modellbau bei Schiffen bekannt, bestand der formgebende Hohlkörper aus 'Spanten', das sind vertikale Schnitte durch die Form. Dafür wurde ein Modell gefertigt, dessen Teile dann in vergrößertem Maßstab nachgebaut wurden. Das Gerüst war an einigen Stellen mit Dachlatten verstärkt worden. Die Oberfläche wurde über Hasendraht mit Zeitungspapier kaschiert und mit Dispersionsfarben bemalt. |
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Marionetten gehören - was den Bau anbelangt - zu den reizvollsten Puppenarten, sind aber schwer zu spielen. Sofern ihre Beweglichkeit sehr viele Funktionen umfasst, kann man zum Spielen einer Puppe mehrere Spieler benötigen, die die Koordination ihrer Aktionen gut einüben müssen. In diesem Punkt sollte man sich von Schülern nicht zu viel erwarten. Für ein gelungenes Puppenspiel halte ich das hier gezeigte Projekt einer Marionettenband. Hier ging es nicht um eine komplizierte Spielhandlung, sondern um die Bewegung der Marionetten zur Musik. In einer Mittelstufenklasse wurden Musiker als Marionetten gebaut für eine im Zeichensaal eingerichtete Bühne. Bei einem Faschingsfest im leergeräumten Kunstraum konnten die Schüler tanzen zu der Musik, die von dieser Marionettenband 'produziert' wurde. Jeder Musiker konnte die für ihn typischen Bewegungen machen, den Bass schlagen, die Hände mit den Trommelstöcken bewegen, furios in die Tasten des Keyboards hämmern etc... Eine Lichtmaschine sorgte für rhythmische Lichteffekte, die durch die Musik getaktet wurden. Den geringen Platz auf dem Spielboden teilten sich immerhin fünf Spieler. Da erwies es sich als vorteilhaft, dass die Puppen alle ihren festen Platz hatten, mit einem oder beiden Füßen am Bühnenboden verankert waren und ihr Spielkreuz aufgehängt werden konnte. Die Spieler mußten die Figuren also nicht tragen, sondern hatten beide Hände frei, um einzelne Seilzüge oder Hebel zu bedienen. |
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Hildegard Krahé,
"Lothar
Meggendorfers Spielwelt", Hugendubel, 1983
Hansjürgen Fettig, "Hand- und Stabpuppen", Verlag Frech, Stuttgart 1970 Fettig, H. "Figurentheaterpraxis", Frankfurt a.M., Verlag Nold, 1996 http://www.sagecraft.com/puppetry/other/bibliography.htmlLiteraturliste
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