Beim
Röntgenarzt
Eine sich entwickelnde Unterrichtseinheit für die 7. Jahrgangsstufe von Uli Schuster |
Wenn man ein Thema nicht vorab in allen seinen Möglichkeiten entfalten will oder wegen seiner Komplexität auch gar nicht vernünftig entfalten kann, empfiehlt sich ein Vorgehen in Arbeitsschritten, die dem Auffassungsvermögen der Kinder entsprechen und die jeweils die Arbeitszeit einer Unterrichtseinheit ohne zu viel Luft strukturieren. Ich zerlege das Thema also in mehrere Teilaufgaben und beginne in diesem Fall mit einem Raumproblem. Die Schüler haben offenbar mit Parallel- oder Zentralperspektive noch keine systematischen Erfahrungen gemacht, und sollen bei dieser Arbeit intuitiv an die Probleme herangeführt werden. Es wird also weniger nach Darstellungsfehlern gefragt, als nach Problemen bei der Darstellung. Wer hat welche Probleme, und wer kann dazu welche Lösungen anbieten. |
Im ersten Schritt der hier vorgestellten
Arbeit ging es um die Darstellung eines Innenraums. Zusammen mit den Schülern
wurden an der Tafel drei mögliche Konzepte entwickelt.
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Beim Röntgenarzt
Ein Patient kommt zum Arzt und klagt über stechende Leibschmerzen. Beim Röntgen stellt sich heraus, dass bei einer länger zurückliegenden Operation im Bauchraum ein Instrument, z.B. eine Schere, vergessen wurde. Der Behandlungsraum muss also eine Einrichtung
zum Röntgen besitzen, Arzt und Patient sind anwesend,
darüber hinaus kann eine Assistentin eine Rolle spielen, in jedem
Fall muss der Charakter des Behandlungszimmers durch Schreibtisch,
Liege, Bilder, Schränke, Instrumente etc. deutlich werden.
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Im
Verlauf der ersten Doppelstunde kann man eine ganze Reihe von Problemen
sammeln, für die sich meist bei den Schülern selbst auch Lösungen
finden lassen. Der Autor des linken Bildes vermischt, wie das in diesem
Alter noch gelegentlich vorkommt, ganz verschiedene Ansichten in einem
Bild. Als Konzept hat er sich den Guckkasten gewählt, fügt aber
das Bild an der rechten Wand (1) oder das
Fenster an der linken Wand (4) so ein, wie
dies beispielsweise für das mittlere Bild in der unteren Reihe gelten
kann, aber bei seinem Konzept so aussehen müsste wie das Fenster im
rechten Bild der unten gezeigten Reihe. Der Tisch in seinem Bild (2)
ist in einer raffinierten Aufsicht dargeboten, sollte sich dem Raum jedoch
besser einfügen wie der Tisch im Vordergrund von Bild 3. Das
Möbelstück unter seinem Fenster benützt die Raumkante als
Standlinie, sollte aber wie die Bank unter dem Fenster von Bild 3
am Boden vor dieser Raumlinie stehen.
Ein Problem hat der Zeichner dieses räumlich konfusen Bildes allerdings konsequenter gelöst als die Autoren der Beispiele in der unteren Reihe: Wie muss der Patient zum Röntgenapparat ausgerichtet werden? Da er hinter dem Apparat steht, können seine Füsse nicht tiefer im Bild erscheinen als die Stützen des Apparats, die auch auf dem Boden stehen. Die Schüler sollen erkennen, dass jedes der drei Innenraumkonzepte perspektivisch ein System beschreibt. Konzept 1 legt noch keine Richtung nach hinten fest aber: Was weiter vorne im Bild sein soll, rückt tiefer an den Bildrand, was nach hinten gesetzt werden soll, erscheint höher im Bild. Konzept 2 hingegen legt mit einer Tiefenlinie fest, wie man von vorne nach hinten kommt. Objekte mit rechtwinkligen Flächen, die sich in die Tiefe erstrecken, werden zu Parallelogrammen verzerrt. Die in die Tiefe führenden Linien folgen einer gemeinsamen Richtung. Konzept 3 verzerrt rechtwinklige Flächen zu Trapezen, wenn sie sich in den Raum hinein erstrecken. In die Tiefe führende Linien, die am Objekt parallel sind erscheinen im Bild aufeinander zulaufend. Wo sie an den Objekten gleich gerichtet sind haben sie im Bild einen gemeinsamen Fluchtpunkt.
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Auch im Alter von 12 oder 13 Jahren neigen die Jugendlichen noch dazu Farbe extensiv zu nutzen, ein buntes Lokalkolorit einem eher gedämpften Raumklang vorzuziehen. Außerdem hat man ihnen meist früh antrainiert, dass Farbe dick und deckend aufzutragen ist, woher eine berechtigte Angst rührt, dass nämlich beim Kolorieren einer Zeichnung die ganze zeichnerische Mühe umsonst war und die gezeichneten Objekte hinter einer deckenden und mit dem Pinsel schwer kontrollierbaren Fläche verschwinden. Oft haben Schüler Angst vor diesem Schritt von der Zeichnung zur Farbe. Wenn man einen guten Kopierer hat, dann kann man ihnen die Zeichnung als Kopie zum Kolorieren geben, womit beliebig viele Versuche daneben gehen können ohne die Zeichnung zu zerstören. |
Wir
machen diesmal für das Kolorieren folgende Regeln aus: Wir begrenzen
die Zahl der Farben auf einen Hauptton, den wir in unterschiedlicher Verdünnung
(also Aufhellung mit Wasser) und unterschiedlicher Abtönung mit seinem
farblichen Komplement variieren. Komplementäre Farben ergeben in der
Mischung jeweils Grautöne. Damit besteht die Möglichkeit, den
räumlichen Eindruck, den die Perspektive vermittelt durch eine Farbgebung
mit helleren und dunkleren Tönen zu unterstützen.
Damit die Farbe sich gleichmäßig auftragen lässt, feuchten (nicht wässern!) wir das ganze Blatt mit einem breiten Borstenpinsel. Das führt dazu, dass sich das ganze Blatt gleichmäßig ausdehnen kann und beim Malen lästige Falten unterbleiben. Falls dennoch Pfützen auf dem Papier entstehen, tupfen wir sie mit einem Papiertaschentuch ab, oder saugen sie mit dem ausgequetschten Haarpinsel ab. Beim Malen beginnen wir mit den großen Flächen der Wände in sehr hellen Tönen und arbeiten uns dann voran zu den kleineren Flächen mit etwas intensiveren Tönen. Das sind ein paar Tricks aus der Malerwerkstatt, die Illustratoren und Aquarellisten bekannt sein sollten. |
Bevor die Klasse allgemein damit beginnt
ihre Zeichnungen zu kolorieren ist ein Hefteintrag angebracht, der die
Regeln dieser Arbeitsphase definiert.
Dieser Hefteintrag kann begleitet werden
von Mischversuchen zu diversen Grautönen aus komplementären Farben
oder aus dem "Schmutz" der Farbkastenpalette.
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Am Ende kann man im farbigen Bild entweder
mit Bleistift, mit Tusche oder Feinlinienstift die Umrisse noch einmal
nachziehen.
Wie immer gibt es einige flotte Arbeiter, die mit ihren Bildern schneller fertig sind als andere. Ihnen kann man eine Kamera in die Hand geben oder noch besser auf einem Stativ montieren, mit der sie einzelne Bildausschnitte herausgreifen, mit deren Hilfe sich das Bildgeschehen als Bildfolge darstellen lässt. Das wertet die ganze Malerei noch einmal kräftig auf und gibt dem Produkt eine mediale Dimension. |
Die nachstehende Darstellung hat nicht die Möglichkeiten von Powerpoint, wo man mit animiertem Text und Wipes von einer Seite zur nächsten die statischen Bilder mit Bewegung versehen kann. Aber es muß auch nicht Powerpoint sein. Auch mit Video und gesprochenem Text lässt sich das ganz hervorragend machen. Und wenn die ersten Versuche gelingen, dann hat man die Klasse schon so weit, dass die Schüler bei der nächsten Arbeit auf einen Film hinsteuern wollen. |
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