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für die Mittelstufe des Gymnasiums von Uli Schuster 2005 |
Den Titel
dieser Seite könnte man als Metapher für manche Stunde im Kunstunterricht
sehen - nicht weil es da immer rund gehen sollte, sondern weil irgendwann
einmal zu klären ist, wie man Verhältnisse der Über- und
Unterschneidung, der Verflechtung und Wölbung zeichnerisch klarstellen
kann. Um es nicht bei der mechanischen Übung zu belassen interessiert
hier auch die Vielfalt von Beziehungen, die sich in so einer elementaren
Sache zur Kunst herstellen lassen. Schließlich, und nicht zuletzt,
geht es uns im Unterrichtsfach Kunst darum die Erkenntnispotentiale zu
nutzen, die in bildnerischen Prozessen stecken. Im speziellen Fall sind
das elementare Beziehungen von Figur und Grund, von Hell und Dunkel und
von Vorne und Hinten aber auch eine Vielzahl an Einblicken in deren historische
Anwendungen.
Die Abb. im Kopf der Seite zeigt im Ausschnitt einen Entwurf Richard Riemerschmids für eine Wanddekoration des Raums der Vereinigten Werkstätten auf der Weltausstellung in Paris 1900 |
![]() ![]() Was Schüler oft nicht gleich glauben: Wenn die optische Überbrückung der Konturliniern nicht stimmt oder wenn der Verlauf nicht hart bis an die Grenze der Unterschneidung herangeführt wird (Beispiel rechts oben aus Handbuch der Zeichenkunst von José M. Parramón), dann klappt die zeichnerische Illusion nicht in der beabsichtigten Weise. |
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Ist der Blick einmal geschärft für derartige Formen, kommen Schüler auch von selbst darauf, dass Vergleichbares sich findet in grafischen Vignetten von Büchern oder Noten, in Wappenreliefs, Kartuschen und anderen Reliefplatten, oder an Broschen, die die Oma aus der Jugendstilzeit an die Mutter vererbt hat. |
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Den Klassiker unter den "Drunter und Drüber" Darstellungen hat
nach Pevsners Meinung ("Die Geschichte der Kunstakademien")
Leonardo da Vinci (Bild oben links) geliefert, was zu einem weiteren, interessanten
Kapitel führt, nämlich den Knoten und zu dem breiten Feld der
Flecht- und Webkunst. Albrecht Dürer hat sich 1507 zu sechs Holzschnitten
anregen lassen (einer davon im Bild oben rechts), in denen das Vorbild
Leonardos erkennbar bleibt. Wer sich damit noch nie auseinandergesetzt
hat, wird vielleicht erstaunt sein, dass man zum Thema Knoten ganze Bücher
füllen kann. Mit ein wenig Nachdenken kommt man schon drauf, dass
Stricken, Häkeln, Weben, Knüpfen, Klöppeln eine ganze Summe
von Kulturtechniken umschließt, an der auch die Bildende Kunst nicht
vorbeikam.
Flechtwerk, Knoten und Knäuel geben in der Ornamentik einen geradezu araischen Bildsinn wieder: "Knoten und Knäuel haben im Glauben vieler archaischer Kulturen die Kraft, Dämonen zu bezwingen, indem sie sie verwirren oder regelrecht 'binden'. Deshalb scheuen die unheimlichen Mächte vor allem Verschlungenen und Verflochtenen zurück. Das Liniengewirr wird zum Apotropaion." ('Macht des Bildes - Bild der Macht', Lutz Lippold 1993, S.138) Umgekehrt ist derjenige, der den Knoten schnürt, zeichnet oder meißelt und damit beherrscht, im Besitz einer magischen Kraft, die das verwirrende Rätsel löst und damit beherrscht. Alexander der Große löst den gordischen Knoten auf seine Weise - er durchtrennt ihn mit dem Schwert. |
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Als Vorübung für das Zeichnen wäre das Knüpfen eines komplexeren Knotens oder das Flechten eines Zopfs schon eine ganz gute Voraussetzung. Um die Gehirne der Schüler zum Knacken zu bringen, lasse ich schon mal gerne in einer 9. Jahrgangsstufe Zöpfe rein zeichnerisch flechten, was vielleicht schwerer ist, als wenn man es später mit den Schuhbändern versucht. |
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Damit lassen sich nun verschiedene Aufgaben entwickeln, die alle das Prinzip des "Drunter und Drüber" zum Ausgangspunkt haben, aber das dazu notwendige Helldunkel auf unterschiedlichen technischen Wegen erreichen. Das erste Beispiel zeigt eine Bleistiftzeichnung, die auf getöntem Papier gemacht ist. Ein glatter, hochwertiger Zeichenkarton wurde mit stark verdünnter Ölfarbe (Sepia) getönt. Eine Woche lang lässt sich der braune Ton mit dem Radiergummi gut aufhellen, was man an den Rändern der Zeichnung noch sieht. Mit einem weichen Bleistift (8B) ist dann die Schattierung sehr dicht schraffiert. Der Zopf ist mit Kugelschreiber gezeichnet. Die Lineatur folgt dabei dem Strang wie es geflochtene Haare tun würden. Die nächste Schlinge entstand nach einer Besprechung kunstvoller Knoten und ist eine schlichte Bleistiftzeichnung, die ein gedrehtes Seil simuliert. Die Arbeit ganz rechts ist in Wasserfarbe ausgeführt und nachträglich mit einer parallelen Bleistiftschraffur überarbeitet. |
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Wenn man schon das hier thematisierte Helldunkel als plastische Erfahrung bezeichnet liegt es auch nahe, derartige zeichnerische Übungen mit plastischen Übungen zu verbinden. Neben dem leicht formbaren Material Ton bietet sich Gips an, den man selber in Platten gießen kann oder im Baumarkt oder direkt an der Baustelle aus dem Abfallkontainer holen kann. Gipskarton bietet sich in besonderer Weise an, da er eine ebene Oberfläche besitzt und durch die aufgeleimte Papierschicht stabil und einigermaßen staubfrei bleibt. Den Karton feuchtet man mit einem Schwamm leicht an und kann ihn nach dem Aufweichen der Pappe auf einer Seite der Platte wegrubbeln. Mit einfachen Werkzeugen, z.B. Küchenmessern, kann man die Platte dann gut bearbeiten. |
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Literatur:
Das große Knoten Handbuch, Maria Constantino, München 2002 |