Die Proportionen von Kopf und Gesicht
eine Unterrichtsreihe für die 6. Jgst des Gymnasiums
von Uli Schuster
Neben der Perspektive war die Proportionslehre Jahrhunderte lang ein zentraler Baustein der Kunstlehre. Ein Gymnasiast sollte über Grundzüge dieser Lehre Bescheid wissen, manche Schüler werden so viel Interesse zeigen, daß sie Kernsätze in ihr eigenes gestalterisches Repertoire übernehmen. Vitruv, Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer können in dem Zusammenhang als historische Zeugen für die Auseinandersetzung mit dem Maß des Menschen dienen. Dem Beobachten und Beachten von Proportionen beim Zeichnen kommt bei Kindern ab dem 10. Lebensjahr eine wachsende Bedeutung zu. Die Proportionslehre liefert ein Ordnungssystem, mit dessen Hilfe die Beobachtung leichter fallen kann, die erscheinungsrichtige Darstellung damit befriedigender gelingt. Die hier dargestellte Unterrichtsreihe liefert keine Stundenentwürfe sondern Grundsätze, Ideen, Aufgaben und Materialien zur unterrichtlichen Bearbeitung dieses Komplexes.
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Analyse
Es würde das Zeichnen eines menschlichen Kopfs wesentlich erleichtern, wenn man für das Verhältnis von Höhe zu Breite oder für die Lage der wesentlichen Gesichtsteile einfache Maßverhältnisse angeben könnte. Der römische Architekt Vitruv hat dafür einige einfach zu merkende Regeln herausgefunden: Nach ihm paßt der Kopf der Höhe nach 8 mal in die gesamte Körperlänge, während die Gesichtshöhe den 10. Teil derselben ausmacht.
Das Gesicht, vom Kinn bis zum Haaransatz läßt sich in drei gleiche Teile gliedern. Der untere Teil reicht bis an die Nase, der mittlere bis zu den Brauen und der obere enthält die Stirn.
Zwei dieser Teile besitzen zusammen das gleiche Maß wie die Gesichtsbreite. Die Ohren sitzen weiter hinten am Kopf und werden von Vitruv nicht zum Gesicht gerechnet.
Merke:
Das menschliche Gesicht läßt sich in ein Rechteck einbeschreiben dessen Kanten sich verhalten wie 2:3
Zu unserem Glück gelten Regeln in der Regel für viele Fälle. Für manche Köpfe allerdings etwas mehr als für andere. Praktischerweise sagt uns die Dreiteilung des Gesichts auch noch etwas aus über die Höhe der Ohren.
Für den Lehrer:
Eine solche Demonstration läßt sich leicht an einem Schülerportrait, auf Folie gezogen, durchführen. Wenn man zwei von den drei Teilen ausschneidet und um 90° verdreht kann man leicht veranschaulichen, daß es sich bei der Fläche zwischen den Ohren und zwischen Kinn und Augenbrauen um ein Quadrat handelt.
Wer will und wer hat kann den Schülern an dieser Stelle auch Leonardos Mann im Quadrat oder Dürers Proportionsstudien zeigen, die ebenfalls nach Vitruv entstanden sind und in denen sich die hier gezeigten Linien wieder finden lassen.
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Aufgabe: Phantombild
Jeder Schüler erhält oder macht sich selbst einen Streifen Papier von 12cm Höhe und 24cm Breite. Der Streifen wird so gefaltet, daß ein Tryptichon entsteht mit drei Feldern von 12x8 cm. Das Mittelfeld versehen wir mit 6 horizontalen Zeilen von je 2cm Abstand und umreißen darauf einen Kopf so daß er dieses Feld in Höhe und Breite füllt. In der unteren Zeile liegt das Kinn, darüber der Mund, darüber die Nasenspitze, darüber die Augen, darüber Stirn und Haare. Diese letzten beiden Abschnitte können auch wie eine Einheit behandelt werden. 
Die beiden Flügel lassen sich rechts und links über das Mittelfeld klappen und erhalten dieselbe Einteilung in Zeilen, so daß sie nach dem Zeichnen und Aufschneiden einzeln über das Mittelfeld geklappt werden können. Die hier getroffene Einteilung in Abschnitte folgt nicht ganz den oben aufgestellten Proportionsregeln, ist aber für die Aufgabe optimiert. Außer der Nase wird kein Gesichtsteil durchschnitten, was Nahtstellen vermeidet und das Zeichnen erleichtert. Im Abschnitt mit den Augen sind die Augenbrauen mit enthalten. 

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Probleme:
Erst nach dem Aufschneiden der einzelnen Streifen stellt sich heraus, ob alle Bildschichten in ihrer Linienführung (z.B. am Kopfumriß, am Nasenrücken) oder auch in der Farbgebung übereinstimmen. Jede Klappe muß daraufhin noch einmal überprüft und evtl. korrigiert werden. Verschiedenfarbige Hintergründe irritieren und sollten vermieden werden. Ein Kernproblem sind Haare, weil sie eigentlich über die Augenpartie herabreichen und damit der Spielraum für verschiedene Frisuren eingeengt wird. Einige Schüler haben sich hier mit einer Erweiterung des Systems beholfen und Klappen an der oberen und unteren Kante  angefügt; oben für ein über mehrere Streifen hinwegreichendes Toupé, unten für Bart oder Koteletten. Auch die Ohren stellen ein Problem dar, weil sie über zwei Streifen hinwegreichen.
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Gesichtsteile und Kopfform
Ein Spiel macht den Schülern deutlich wie sich der Gesichtsausdruck verändert durch eine Veränderung der Lage der Gesichtsteile im Gesichtsfeld. 
Mit Photoshop habe ich ein Gesichtsfeld vorbereitet. Die Gesichtsteile habe ich auf einzelne Layer verteilt. So kann man sie einzeln aktivieren, auch unsichtbar machen. oder auf der Gesichtsfläche herumschieben. Dieses Spiel erfüllt zweierlei Funktionen. Einerseits kann man damit die "Normallage" suchen lassen, andererseits kann man die Schüler verschiedene Konstellationen erzeugen lassen und mit ihnen dann besprechen, wie beispielsweise ein enger oder ein weiter Augenabstand, ein geringer oder ein weiter Abstand zwischen Nase und Mund wirken.

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Aufgabe: Kopfformen
Überlegungen zu den Proportionen des Gesicht müssen nicht zu einem der Altersstufe unangemessenen, verordneten Naturalismus führen. Neben dem Normkopf beschert uns die Natur andere Kopfformen, für die Kinder einen sprachlichen Ausdruck kennen: 
Der Eierkopf
Man kann mit den Kindern ein Gespräch führen, welcher Typus mit einem Eierkopf charakterisiert werden kann und kommt vielleicht zu der Meinung, daß das ein ganz schlauer, ein Streber, vielleicht Brillenträger, vielleicht Glatzkopf sein muß, einer, der eher Schleife als Krawatte trägt, eher Bankangestellter als Baggerführer ist.

Der Birnenkopf
Der Birnenkopf hingegen ist eher ein grobschlächtiger, möglicherweise gewalttätiger Typ. Kleines Hirn großes Maul. Vielleicht ist er durchtrieben und möglicherweise neigt er zur Fettleibigkeit, weil er gerne viel ißt. Wenn er auch vor Kraft strotzt, kann er doch auch ein Gemütsmensch sein

Der Rundkopf
Rundköpfe haben ein sonniges Gemüt. Sie lachen gern von einem Ohr bis zum anderen, haben deshalb auch gern Lachfalten um die Augen, kleine rundliche Knubbelnasen und volle Backen.

 

Zweck der Übung ist es nun Gesichtsvarianten zu finden durch Übertreiben oder Untertreiben der Proportionen, und durch  variantenreiche Ausformung der Gesichtsteile. Dazu kann man die Kinder aus Illustrierten Gesichtsteile sammeln lassen oder man stellt ihnen so eine Sammlung zur Verfügung. Einige Schüler interessieren sich in dem Alter bereits für die Modellierung der Gesichtsoberfläche. In dieser Klasse griffen die Schüler mit Interesse die Anregung auf, die Gesichter an den Rändern mit "Schatten" zu versehen. Die Regel lautet hier: Was nach vorne aus dem Gesicht herausragt (Nasenrücken, Nasenspitze, Kinn, Stirn) bleibt hell oder erhält sogar einen Glanzpunkt, was nach hinten geht (Nasenlöcher, Mundwinkel, Augenhöhlen), wird abgedunkelt.
Wer mehr über Propotion wissen will kann unter "Erweiterung" auf einer Seite des LK Informationen über die Geschichte der Proportionslehre finden. Auf dieser Seite ist auch der Text von Vitruv zur Proportion der menschlichen Figur wiedergegeben.