Werden und 'Welken' 
einer Nudelburg

 -  Unterrichtssequenz in einer 6. Jahrgangsstufe  -
 

Beschreibung von Planung und Bau der Nudelburg sowie der abschließenden Präsentation des Gemeinschaftswerkes vor versammelter Schüler- uns Lehrerschaft.

von  Jaro VENT

Konzept
Unterrichtskontext 
Jeweils einmal im Monat wurde im Zweigschuleinsatz unter meiner Leitung der Versuch unternommen, die ‚große Pause’ in eine Art interdisziplinäre Event-Bühne zu verwandeln, einen Ort für Projekt-Präsentationen und Life-Darbietungen von Schülern für Schüler. Dabei wurde konkret jeweils eine spezielle Klassenarbeit gezeigt bzw. durch ihre Präsentation, wie im Fall der Nudelburg, erst vollendet, Arbeiten also, die aus dem Unterricht hervorgegangen waren und nun öffentlich ihren Abschluß, Höhepunkt oder ihre Fortführung fanden. 
Im Folgenden wird exemplarisch das Projekt 'Nudelburg' vorgestellt.

Projekt-Kurzbeschreibung
Eine Ritterburg aus Spaghetti-Nudeln wird vor versammelter Schüler- und Lehrerschaft in einem kochenden Wassersee zu Fall gebracht. Das filigrane Bauwerk sinkt in der Zeit von etwa 15 Minuten langsam in sich zusammen. In seinem feierlichen Untergang findet das Gemeinschaftswerk der Klasse 6a seine Vollendung und die 5-wöchige Unterrichtssequenz ihren Abschluß.

Verlauf der Unterrichtsstunden im Detail
Erste Woche:
im Plenum: Gemeinsames Sammeln von architektonischen Elementen einer Ritterburg von Aussichtsturm bis Zugbrücke. Suche nach Alternativen im Fall von Mehrfachnennungen.
Besprechung technischer Umsetzungsmöglichkeiten mit den Werkstoffen Spaghetti-Nudel und UHU-hart.

in Einzelarbeit: Fixierung speziell einer bevorzugten Idee je eines Schülers auf Papier in Form kleiner, erklärender Bau-Zeichnungen. (Zusammenfügung der Teilelemente - nach der Bauphase - später zu einer großen Burg aus Nudeln.)

Der einzelne Schüler entwickelt dabei bereits im Vorfeld ein gewisses Verantwortungsbewußtsein, mit seinem Teilstück einen wichtigen und unersetzbaren Teil des großen Ganzen zu produzieren, der zum Gelingen des Vorhabens beiträgt.

Zweite Woche: 
im Plenum: Hinweise zur Bausystematik und sinnvoller Arbeitszeiteinteilung: gleichzeitiges Arbeiten an unterschiedlichen Einzelteilen zur Vermeidung von Wartezeiten beim Kleben.
Informationen zu diversen Klebetechniken: Besprechung der Art und Weise von stabilen Verbindungen mit Diagonalen. 

in Kleingruppen: Umsetzung erster Teil-Bauabschnitte.

Dritte Woche: 
Weitgehend freies Arbeiten, ergänzt durch diverse Hilfestellungen.

Vierte Woche:
in einer großen Gemeinschaftstat: Zusammenfügen der Burgteile zu einem Ganzen unter aller Mithilfe. Verwendung von Heißkleber nur in Notfällen (Optik!)

im Plenum: Besprechung der Dramaturgie der Inszenierung:
Zum Opernwerk von Christoph Willibald GLUCK: „Orpheus in der Unterwelt" soll die Burg von vier Trägern langsam im Takt der Musik in die Mehrzweckhalle und dann auf einen 'Altar' von Tischen getragen werden. Dort befindet sich ein Metall-Becken mit kochendem Wasser (Wasserstand nur etwa 5cm). 
Dazu folgende Aufgabenverteilung: die Burg-Träger (4 Schüler), dann die ‚Beschützer’ der Träger, sprich Bodyguards bzw. Wegbereiter, Toröffner, Lichtassistenz, Ton, und nicht zuletzt die Trauergemeinde (Rest der Klasse), die geschlossen hinter der Burg in den Saal einziehen soll. Einheitlich dunkle Kleidung.
Durchführung mehrerer ‚Trockenübungen’ zur Musik mit Waschkorb als Burg-Ersatz (damit nichts kaputt geht), um die Schüler an die Dramaturgie der Musik und den Ablauf zu gewöhnen.

außerhalb des Unterrichts: Organisation von E-Heizplatten insg. 6000 Watt aus der Chemie-Übung; Gasbrenner; Wasserbecken aus Walzblech - gekantet und geschweißt; Tragegestell für die Burg; Beleuchtung; Ton; Videogruppe (genaue Einweisung notwendig) etc.

Fünfte Woche: 
'die Aktion'
Zu Beginn der Pause kocht bereits das Wasser – das Heizsystem ist seit einer guten Stunde in Betrieb, der Saal ist völlig verdunkelt, nur ein Spot erleuchtet das dampfende Wasserbecken in 2 Metern Höhe. Die Mehrzweckhalle ist in Kürze gesteckt voll, leider passen nur etwa 400 Leute hinein, der Rest muß in den Gängen stehen, ohne etwas zu sehen –  eine Übertragung mit Beamerprojektion in einen zusätzlichen Raum wäre sinnvoll gewesen. (Wichtig: Aufsichtspersonen um das Wasserbecken!)
Alles andere läuft nach Plan, die Burg wird ins siedende Wasser gehoben, bleibt dort etwa 3 Minuten ohne Bewegung stehen und beginnt dann langsam in sich einzuknicken.

Als Zeitraffervariante des Sterbens vergeht die Nudelburg durch ihren härtesten Gegner: was für eine Burg aus Stein das Erdbeben ist, ist für die Nudelburg das kochende Wasser.

Im Unterricht der folgenden Woche findet eine ausführliche Manöverkritik und Nachbesprechung der vergangenen Ereignisse statt, in der jeder einzelne Schüler Positives und Negatives zum Ausdruck bringen soll. Ein Zusammenschnitt des Event-Videos von etwa 5 Minuten rundet diese Unterrichtssequenz abschließend ab. Die Schüler sind stolz, durch ihre besondere Leistung derzeitiges Schulgespräch Nr.1 zu sein.