Der amerikanische Bildhauer Edward Kienholz
(geb. 1924-1994) arbeitete aufgrund eines Stipendiums Anfang der 70er Jahre
zusammen mit seiner Frau Nancy in Berlin. Dort entstand ein Environment,
das in meinen Augen auch heute seine Aktualität noch nicht verloren
hat, die "Art Show". Der phrasenlos handfesten Praxis des Farmersohnes
und künstlerischen Autodidakten Ed Kienholz
„entsprach die
rigorose Ablehnung jedweden Kunstgeschwätzes, das er in The Art Show
nicht nur von Künstlern, sondern auch von den Urhebern selbst persiflieren
ließ, insbesondere aber des Kults um die »große Künstlerpersönlichkeit«
und der Heiligsprechung der Kultur im Vergleich zu allen anderen Lebensbereichen.
»Alle Kultur ist anmaßend«, sagte Kienholz, die aktuelle
Debatte um viele Jahre mit einer Radikalität vorwegnehmend, die selbst
heute noch von vielen Zeitgenossen als schockierend empfunden wird."
( "Kienholz Retrospektive" Hrsg. Walter Hopps, darin S.59:
Karl Ruhrberg: "Begegnung mit Ed Kienholz")
Kienholz formte mit Gipsbinden insgesamt
19
Freunde und Bekannte ab, applizierte den Figuren Kleidungsstücke,
die z.B. die Abgeformten ihm überließen, und arrangierte mit
den Puppen sozusagen eine Vernissage (Ausstellungseröffnung),
1977 zuerst in der Berliner Galerie Skulima,
in Paris und in München, sowie später in den USA. Zwischen die
Puppen mischte sich das Publikum. Während sich die Lebenden bei solchen
Gelegenheiten gerne dem spendierten Sekt und den Häppchen zuwenden,
hatten die Bilder an den Wänden stets ein interessiertes Publikum
aus Gipsfiguren, deren Gesichter mit Lüftungsschlitzen aus Autos
versehen waren, aus denen mit Hilfe von Lautsprechern "warme Luft"
geblasen wurde. Auf Brusthöhe waren den meisten Plastiken Kästen
aus Plexiglas anmontiert. Die darin befindlichen Tonbandgeräte lieferten
den Lautsprechern auf Endlosschleifen die für eine derartige Veranstaltung
angemessenen Gesprächsfetzen und Kommentare.
"Wie lang der
Weg vom flüchtigen Einfall bis zur endgültigen Ausführung
einer Idee sein konnte, zeigt die Geschichte der Art Show, des Environments,
für das die Kienholz-Kinder, Künstlerfreunde, Museumsleute und
auch eine Operndiva Modell standen. 1963 hatte Kienholz bereits die ersten
Pläne im Kopf, 1967 konkretisierte er sie in einer Konzepttafel,
doch erst sein Berlin-Stipendium gab 1973 den letzten Anstoß zur
praktischen Arbeit an dem Projekt, das Ed und Nancy Reddin Kienholz, seit
1973 seine Frau und Partnerin, gemeinsam fertigstellten. Die Arbeit hatte
auf einem Autofriedhof in Los Angeles begonnen, als er, Sohn Noah und zwei
Freunde Belüftungsklappen aus einem Auto rissen und sie in
einer Kiste nach Deutschland schickten. Hier wurden sie in den Gesichtern
der Figuren als Münder eingesetzt, aus denen mit Hilfe von Tonbändern
»der ganze Unsinn« ertönte, »den Kunstkritiker schreiben
und den niemand versteht«, wie Kienholz im Katalog schrieb. Bis zur
endgültigen Fassung dauerte es noch etliche Jahre. Erst 1977 wurde
»das verdammte Ding« (Kienholz) fertig. Im März fand die
Vorbesichtigung in der Berliner Galerie Skulima statt, der im Juni die
eigentliche Premiere im Pariser Centre Georges Pompidou folgte."
(Karl
Ruhrberg: "Begegnung mit Ed Kienholz") |