Luitpold-Gymnasium München                                                             Leistungskurs Kunsterziehung
Die ideale Landschaft
"Eine Landschaft, ein Seestück, ist entweder treu der Wirklichkeit nachgebildet, oder dichterisch erfunden, Im ersten Falle ist die Darstellung Prospekt, Aussicht auf eine wirklich vorhandene Gegend; im letzten ist sie Bild einer idealischen Naturszene der Land- oder Wasserwelt. Demzufolge teilt sich diese Kunst in Darstellung idealischer Naturscenen und Prospektmalerei"
C.L. Fernow "Über Landschaftsmalerei", Zürich 1806, S. 11f

"Die Aussicht in eine weite Ferne, oder in eine einsame, geschlossene Gegend, der Anblick einer erhabenen oder anmutigen, ernsten oder heiteren, ruhigen oder bewegten Naturscene besänftigt jede leidenschaftliche Stimmung des Gemüths, befreiet es von jeder Spannung, sammelt seine zerstörenden Kräfte, ladet es zur ruhigen Betrachtung ein, stärkt, erheitert und erquickt es. Dieselbe Wirkung hat die idealische Darstellung landschaftlicher Naturscenen auch in der Kunst; und was ihr, an lebendigem Reiz und erquickender Wirklichkeit für das sinnliche Wohlgefühl abgeht, ersetzt sie der Einbildungskraft durch den in ihren Komposizionen enthaltenen poetischen Sinn; durch das Idealische, das ihre Darstellungen über die Wirklichkeit erhebt, und den Geist in eine dichterische Welt versetzt." 
C.L. Fernow, "Über Landschaftsmalerei", Zürich 1806, S.18f

"Claude Lorrains Auftraggeber, der Hochadel Europas, war seit geraumer Zeit - in Frankreich etwa mit der Regierung Heinrich iV. (1589-1610) - aus eben diesem Zustand (Lehensverhältnis und freies Rittertum) herausgetreten. Vor allem der französische Adel lebte vorwiegend bei Hofe, war auf finanzielle Unterstützung des Königs und damit des Staates angewiesen und war damit nicht mehr frei. Selbst auf seinen Landgütern war seine Autonomie eingeschränkt; an die Stelle der Naturalrente trat immer stärker die Geldrente, die alte feudalistische Gerichtsbarkeit wurde zunehmend durch die des absolutistischen Staates ersetzt. Aus diesem Gefühl der Abhängigkeit und der verlorenen Selbständigkeit entstand die Sehnsucht nach einem Zustand, in dem der Feudalherr tatsächlich noch eine auf 'sich beruhende Individualität' war, der kaum jemandem Rechenschaft schuldete als ihm selbst. Was für den Adel galt, traf aber für den König nicht weniger zu, denn auch er war abhängig von den Instrumenten, die er zur Aufrechterhaltung seiner Herrschaft benötigte. So wurde die verlorene Freiheit und Selbständigkeit fast zwangsläufig mit der Vorstellung eines idealen Landlebens verbunden, die , am klassischen Vorbild orientiert, den Traum von Arkadien wachhielt."
Mathias Eberle, "Individuum und Landschaft" 1980, S.18