Luitpold-Gymnasium München Leistungskurs Kunsterziehung |
Komposition III von Uli Schuster |
Vorbilder zu Kompositionsschemata
finden wir in diversen Schulbüchern. Mit einigen davon will ich mich
hier auseinandersetzen.
1. Beispiel: Der alte Band Kammerlohr (1977) beginnt seine Betrachtung von Plastik in der 1. Hälfte des 20. Jhs mit "La Méditerranée" von Aristide Maillol aus dem Jahr 1901, einer Steinfigur von 1,14m Höhe. Unter der fotografischen Abbildung zeigt das Buch eine Strichzeichnung mit einem "Proportionsschema" nach R. Linnenkamp. Dazu folgender Text:
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In welcher Position vor der Plastik stellt sich nun die Behauptung eines gleichseitigen Dreiecks als wahr heraus? Solche Verschiebungen machen deutlich, daß Aussagen etwa zum "Goldenen Schnitt" oder zu gleichen Längen ohne Vermessung am Objekt höchst problematisch sind. |
2. Beispiel
Im selben Band ist zu Runges Generationenbild ein "Kompositionsschema" abgebildet, das weder kommentiert ist noch einen Autor nennt (Quelle: Meisterwerke der Kunst 27/1979). Anders als die Studie nach Maillol haben wir es hier mit einem Gemälde zu tun. Der Zeichner arbeitet mit einem harten, aber etwas fahrigem Strich einige lineare Züge des gemalten Bildes nach und skizziert damit die vier Personen und etwas weniger deutlich auch die Pflanzen des Vordrgrunds und die Landschaft im Hintergrund. Mit einigen fett und linealgerade gezogen Linien arbeitet er drei Richtungen heraus: Die vertikalen Achsen der vier stehenden Figuren und die vertikalen Begrenzungen des Gebäudes im Hintergrund der Personen, zwei kurze horizontale Linien und sechs parallele diagonal verlaufende Linien. Ganz offensichtlich geht es dem Zeichner hier nicht um feine Differenzen in den Abweichungen von solcher exakten Geometrie. Vielehr scheint es, daß die "Bildgeometrie" auf einen möglichst einfachen Nenner gebracht und damit verdeutlicht werden soll. Die hier dargestellten Achsen sind in der Mehrzahl dem Bild nicht direkt entnommen, sondern hineingedacht. Andere Linien, die im Bild direkt gegeben sind, wie beispielsweise der Stock des Vaters, die Stengel der Pflanzen, finden nur ganz untergeordnet Beachtung. Damit entgeht dem Zeichner auch beispielsweise eine "Parallelität" von eben diesem Stock mit einem Schiffsmasten im Hintergrund. Indem der Zeichner den Kindern die gleich fetten, vertikalen Achsen zuweist wie den Eltern, deckt er zu, daß eben die Kinder in subtiler Abweichung vom "Gleichschritt" der Eltern, in ihren Haltungen und der Ausrichtung ihrer Körper und Blickachsen abweichen vom Muster, das die beiden Alten ihnen vorgeben und das sie , auf den ersten Blick betrachtet, in der Stufung ihrer Körpergrößen reproduzieren. In einer Beziehung weicht die Zeichnung von der fotografischen Reproduktion verblüffend ab. Offenbar hat der Drucker eine eigene Vorstellung davon gehabt. wo dem Bild Grenzen zu ziehen sind. In der Höhe ist der ganzseitige Farbdruck sichtlich kürzer als die Zeichnung. Wie fett und selbstbewußt diese "Kompositionslinien" auch immer daherkommen, sie verdeutlichen uns bestenfalls einen möglichen Aspekt aus Runges Bild und stellen keineswegs die Komposition dar. Wenn man es also vorher auch schon geahnt haben mag: Es gibt durchaus verschiedene Möglichkeiten kompositionelle Ordnung in Runges Bild festzustellen. Ein sogenanntes Kompositionsschema behauptet, daß ein Bild oder eine Plastik auf einen einfachen geometrischen Nenner gebracht werden kann. Und diese Behauptung ist unsinnig. |
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3. Beispiel
Barbara Pfeuffers Abiturtraining aus dem Stark Verlag ist zwar kein Schulbuch, aber für die Abiturienten amtlicher als jeder Rat des eigenen Lehrers. Zur "Kompositionsskizze" kann man bei ihr folgendes nachlesen: "In einer Kompositionsskizze sollen markante Linien und Flächen angegeben werden." Wenn man sich dann ansieht, was sie unter Kompositionsskizze versteht, dann wird doch deutlich, daß es sich um eine Art Kompositionsschema handelt. ![]() Welche Elemente einer Komposition lassen sich auf solche Weise in einem Schema darstellen? Reicht es aus, wenn eine Komposition in einer derartigen Skizze verdeutlicht wird? Läßt sich ein derartiges Schema ohne den Begleittext überhaupt beurteilen? Worin besteht die zeichnerische oder analytische Leistung beim Abpausen oder Abzeichnen einer Drucksache? Welche Elemente einer Komposition sind so schlichtweg nicht darstellbar? |
![]() Die zeichnerische Herausforderung für den Schüler liegt im Isolieren von kompositorischen Einzelaspekten, im Erfinden einer Form der Veranschaulichung oder im Übertragen und Anwenden einer gelernten Formel auf ein neues Objekt. In der Tat läßt sich eine ganze Anzahl solcher Formeln benennen und einüben, kann der Lehrer beurteilen, ob der Schüler das eingeübte Repertoire beherrscht, in welchem Umfang er es anwenden kann und wie souverän er im gegebenen Fall eine Formel variiert. |