Kritik von Ernst Wagner, Gymnasium Ottobrunn (bei München), an den Thesen von Freiberg
Freiberg sieht viele Dinge sehr richtig, doch seine Konsequenz ist falsch. Richtig sind z.B. die Analyse der zunehmenden Bedeutung der sog. "Medienkunst" im zeitgenössischen Kontext und die Anmerkungen zum Internet.
Falsch ist jedoch die Engführung des Fachs, der "eigentliche" fachspezifische Bereich der Kunstpädagogik sei die Bildende Kunst. Falsch ist das aus zwei Perspektiven:
1. Aus der Perspektive der Praxis: Die Schüler machen in unserem Fach meist Bilder, eigene Produkte, was mit Kunst herzlich wenig zu tun hat. (Nur in den Köpfen der Lehrer passiert eine Verknüpfung, wenn die Aufgabenstellung - nahezu immer unausgesprochen - von der Erfahrung eines Kunstwerks abgeleitet ist.) Das ist auch ganz ok so, auf jeden Fall klagen die Schüler es immer ein, wenn man sie mit zu langfristigen Projekten oder gar "Theorie" nervt. Interessant sind dann noch Aktivitäten im direkten Umfeld der Schüler (ein Plakat für eine Veranstaltung machen, die Webseite für die Schul-Big-Band gestalten, ein Klassenzimmer ausmalen, etc.). Manchmal wagen wir uns dann bei ruhigeren, bräveren, bildungsbürgerlich aufgeschlossenen Klassen an ein bisschen Theorie und Kunstgeschichte ran. Nur in der Kollegstufe kann man mit Verständnis rechnen, wenn der Lehrer die Dias auspackt. (Dies ist eine gymnasiale Erfahrung, in anderen Schularten sieht es sicher ähnlich aus.)
2. Die Kunst selbst schwimmt im Moment, die Grenzen sind fließend. Viele Künstler arbeiten mit Designstrategien oder anderen, außerkünstlerischen Verfahrensweisen. Triviale, massenmediale Phänomene sprechen dagegen oft eine explizit künstlerische Sprache. Freiberg weist selbst darauf hin, dass im Museum des ZKM Karlsruhe der Bereich der Kunstwerke fließend übergeht in die Computerspielewelt oder wissenschaftliche Arrangements. Das ist ja gerade das Aufregende! Wenn die aktuell interessanten ästhetischen Phänomene - innerhalb und außerhalb des Kontextes Kunst - vielleicht in der Schule nutzbar gemacht werden können, dann reicht es doch. Terminator II und Bladerunner sind - auch für die "Hochkunst" - wichtiger als eloborierte Greenaways, so, wie die Negerplastik oder das Flugzeug zu einer anderen Zeit wichtiger waren als Salonmalerei.
Dann macht Freiberg noch einen ganz entscheidenden Fehler: Er ist Kulturpessimist! Das versteckt er zwar gut, aber beim "Medienschrott" tritt seine Haltung ganz deutlich hervor. Deshalb hat er auch eine Auffassung von Medienpädagogik, die im besten Sinne Bewahrpädagogik ist: Aufklärung über den "Schrott", die Analyse der "negativen Anteile der Massenmedien". Kulturpessimismus jedoch ist ein verdammt schlechte Basis für jegliche Pädagogik!
Also: Warum diese Engführung? "Kunst als das einzige Fach in der Schullandschaft, das sich mit dem Bild als Bild auseinandersetzt", das ist richtiger und dazu noch praxisgerechter.